Olympiahalle: Elton John sorgt für große Gefühle
Klavier-Rock alter Schule und Hits aus den Siebzigern: Elton John hat es immer noch drauf.
München - Die Souveränität des Elton John kennt keine Grenzen. Bevor er sich noch zu zwei Zugaben aufmacht, begibt er sich erstmal eine Autogramm-Runde entlang des Bühnenrands, unterschreibt auf Zetteln, T-Shirts, ein Trikot. Und dann hält ihm ein Fan, wahrscheinlich ein weiblicher, einen roten Lackschuh entgegen – und den signiert der Mann, der schon Las Vegas gerockt hat und nun München die gleiche Ehre zuteil werden ließ, selbstverständlich auch.
Dieser Schuh wird wohl einen Ehrenplatz in der Vitrine finden, und das Konzert in der Olympiahalle eine von Kerzen umflackerte Gedenkstätte im Gedächtnis. Nicht, weil es musikalisch das Feinste vom Feinsten war – das ließ schon der wenig zimperliche Hallensound nicht zu. Aber es war allein schon deshalb groß, weil Sir Elton nun mal da war und weil er die Schmuckschatulle all seiner Hits großzügig aufmachte und leerte, mit all dem Glanz und Glamour und all der Lässigkeit, die auch vor einem Schuh nicht halt macht.
Mit großer Geste rollte sich zunächst ein Synthesizer-Teppich aus, auf dem der 64-jährige Brite die Bühne betrat und zur Zeitreise gen Klavier schritt. Auf dem schwarzen Mantel prangte hinten ein Totenkopf auf einem Kreuz, vorne garnierten Rosen das Outfit – Vergänglichkeit und Eros, Rock’n’Roll und Schmuse-Pop, ja, bei John ist alles drin. „Funeral for a friend“, diese pathostrunkene Grabmusik mündete in „Love lies bleeding“. Ein Doppelpack, das schon 1973 Johns siebtes Studioalbum „Goodbye Yellow Brick Road“ episch weit machte. Beinahe Glamrock und dabei ganz und gar nicht haarscharf am Kitsch vorbei. Mit Gefühlsüberschwang hat John keine Probleme, zwei junge Elektro-Cellisten aus Kroatien in Ringelhemden steuerten noch mehr schönen Schmelz bei.
Vornehmlich herrschte der Rock alter Schule, die Hits aus den Siebzigern machten weite Teile des Konzerts aus. „Rocket Man“ dehnte John am Klavier genüsslich aus, und wenn man genau zuhörte, konnte man beim Vorspiel für „Take me to the pilot“ amüsiert feststellen, dass John auch die deutsche Nationalhymne verjazzt hineinschmuggelte. Ein ironisches Hallo ans momentane Tourneeland.
Die Band hatte ähnlich wie der Meister des Klavier-Rock routiniert alles unter Kontrolle: Bob Birch am Bass und Davey Johnstone an der Gitarre streuten ein paar gefährliche Riffs ein, und sie alle, darunter vier Background-Sängerinnen, gingen Johns Weg durch die Zeiten mit. Auch in die drei neuen Songs seiner neuen Platte „The Union“, die er mit seinem Idol Leon Russell aufgenommen hat. Eigentlich gutes Material, aber beim Bürgerkriegssong „Gone to Shiloh“ ging die Schlacht zwischen angenehmem Bombast und gemeiner Rührseligkeit doch arg schlimm verloren.
Dennoch: Bei Songs wie „Sorry Seems to be the Hardest Word“ oder „Don’t Let the Sun Go Down on Me“ kann einfach nichts schief gehen. Klassiker für die Ewigkeit, für die Hirnvitrine. Zum „Crocodile rock“ dirigierte John das Publikum zum „la-la-la-la-la-la““, während auf der Leinwand ein Krokodil schnappte. Bei „The Bitch is back“ konnte man dort riesengroß „Bitch“ lesen. Eine Bühnenshow, direkt und voll auf die Zwölf wie die Musik.
Und dann am Ende doch der intime Moment: John allein mit „Candle in the Wind“, dieses eindringliche Miststück von einer Ballade, das man nicht mehr aus dem Ohr bekommt. „I wish you love and happiness and health and peace”, meinte der Mann am Klavier, und man glaubte es ihm. Mit „Your Song“, seinem ersten großen Hit, blies John am Ende die Kerzen aus und schickte alle selig nach Hause, auf roten Schuhen, auf Plüschwolken, wie auch immer.