Interview

Oliver Masucci: ein Interview zu Polanskis "The Palace"

Der Hauptdarsteller im Film des umstrittenen Regisseurs über die Regielegende, über Stars am Set und über die Jahre um 2000
von  Margret Köhler
Hoteldirektor Hansueli Kopf (Oliver Masucci) zählt die letzten Sekunden herunter, dann beginnt das bejubelte neue Jahrtausend.
Hoteldirektor Hansueli Kopf (Oliver Masucci) zählt die letzten Sekunden herunter, dann beginnt das bejubelte neue Jahrtausend. © M. Abramowska

In den letzten Jahren kennt Oliver Masuccis Karriere nur eine Richtung: nach oben. Sein Zuhause waren die Münchner Kammerspiele, die Salzburger Festspiele oder das Burgtheater Wien. Inzwischen ist der Schauspieler auch auf der Leinwand ein Star. Er ist ein "Träumertänzer", wie ihn sein italienischer Vater nannte, und so heißt auch seine Autobiografie. Unschlagbar ist er nun als Hoteldirektor Hansueli Kopf, der in Roman Polanskis "The Palace" Gäste und Service dirigiert. Vor der pittoresken Kulisse der verschneiten Schweizer Berge erwartet die illustren und weniger illustren Gäste eine opulente Feier, um das Jahr 2000 gebührend zu begrüßen. Aber nichts läuft nach Plan.

AZ: Herr Masucci, welche Erfahrungen nehmen Sie von den Dreharbeiten mit?

OLIVER MASUCCI: Ich wollte unbedingt mit Roman Polanski arbeiten, ein lang gehegter Traum von mir. Ich bin mit seinen Filmen groß geworden, habe sie alle gesehen. Für mich ist er einer der ganz großen Meister des Kinos. Wir haben bei den über Monate dauernden, auch anstrengenden Dreharbeiten viel gelacht. Die möchte ich nicht missen. Roman ist fokussiert auf die Arbeit, die braucht er, sonst könnte er nicht überleben. Was da immer noch über ihn geredet oder geurteilt wird, kümmert mich nicht. Nach 45 Jahren sollte endlich Ruhe sein. In der christlichen Welt existiert der Begriff der Vergebung. Das sollte sich so mancher hinter die Ohren schreiben.

Wie erhielten Sie die Rolle?

Es lief anders als sonst: Einer der Produzenten der Amazon-Serie "German Crime Story - Gefesselt" sagte mir, dass er auch bei Polanskis neuem Film dabei ist. Und den habe ich dann vorgeschickt mit der Frage nach einem Part für mich. So ergab sich der Kontakt. Wir haben uns in Gstaad getroffen. Eigentlich sollte ich die Rolle von Mickey Rourke, einen heruntergekommenen, vor dem Ruin stehenden Starinvestor spielen. Aber nach Raik Doormann, dem Säurefassmörder nachempfundenen Hamburger Serienkiller, wollte ich mal einen netteren Typen darstellen, einen, der alle zusammenführt. So wurde ich zum alerten Hotelmanager Hansueli Kopf.

Was ist der für ein Typ? Mal wirkt er sympathisch, dann nimmt er die Angestellten autoritär an die Kandare.

In seiner Position darf er sich keine Fehler erlauben. Höflichkeit zu allen Gästen gilt als A und O seiner Aufgabe. Auf keinen Fall darf er offen zeigen, was er über sie denkt. Er bleibt immer gleich, ändert sein Auftreten nicht, nimmt eine neutrale Haltung ein. Das ist vielleicht eine Schweizer Tugend oder Angewohnheit.

Manchmal erinnert das Geschehen im Hotel an einen einzig Alptraum.

Ich habe mit Andrea Scherz, der Chefin des Nobelhotels "Gstaad Palace", gesprochen. Die klärte mich auf, in der Luxusbleibe passiere oft sogar noch viel mehr. Manche reichen Leute können schon schlimm sein. Wir hatten aber auch eine Reihe von Komparsen, also Gäste, die sich selbst spielten und dabei einen Riesenspaß hatten.

Einige schwierige Charaktere wirken wie Stereotypen.

Oft sind Stereotype auch wahr, sonst wären sie nicht da. Es kommt darauf an, was Sie erwarten. Komödien sind ein kompliziertes Feld und viel aufreibender als Tragödien. Man kann nie sicher sein, ob die Zuschauer an der Stelle lachen, wo man es sich wünscht. Da kommt es total auf das Timing an.

Diese Dekadenz, diese Arroganz der stinkreichen Klientel und deren große Klappe: Ist das typisch für unsere Gesellschaft oder total überzogen?

Natürlich sind die Figuren überzogen, aber Polanski kennt diese Welt. Er zeichnet das Ende einer bestimmten Gesellschaft an der Schwelle zum Millennium. Damals dachten die Menschen noch optimistisch, das Leben würde so easy weitergehen, ohne Kriege und weltweite Krisen. Dann kam alles anders. Die gute alte Zeit ist definitiv vorbei. Der blöde Traum vom Reichtum funktioniert nicht mehr. Geld ist nicht alles. Der Film zeigt, wie leer so ein Leben sein kann.

Beim Dreh waren große Namen versammelt: Fanny Ardant, John Cleese und Mickey Rourke, der ja nicht als einfacher Zeitgenosse gilt ...

Wir waren ein tolles Ensemble. Mit Fanny Ardant zu arbeiten, ist ein Vergnügen. Mickey Rourke hat wieder alle getoppt. Er hat am Ende zum Entsetzen des Produzenten seine superteure, blonde Perücke verbrannt und ist auf den Resten herumgetrampelt. Ein sehr spezieller Typ, der wohl nur happy ist, wenn alle ihn hassen, um sich dann darüber lauthals zu beschweren. Ein Kind, das geliebt werden will. Am Anfang dachte ich, was für ein grässlicher Typ, der sich selbst nicht mag und bestraft. Auf Instagram habe ich mal gesehen, wie er über dieses ganze Hollywoodgeschwerl schimpft und dann kam er genau so daher, wie ich mir die vorstelle. Am Ende mochte ich ihn aber sehr. Monty-Python-Liebling John Cleese ist ein Geschenk. Mir scheint, er guckt immer nach dem nächsten Joke, darum kreisen alle seine Gedanken, das ist seine Art von Philosophie. Für mich ist er ein absolutes Comedy-Ass. Allein seine Augen funkeln schon so amüsiert. Ich glaube, er ist noch komisch, wenn er einst im Himmel ist.

Ihre nationale und internationale Karriere hat in den letzten Jahren einen Riesenschub erhalten. Welche Tipps würden Sie einem jungen Schauspieler geben?

Die geniale Superregel gibt es wahrscheinlich nicht. Ich würde sagen: Um dahin zu kommen, wohin du willst, solltest du nichts machen, was du nicht willst, bleibe dir treu, bleibe authentisch und glaubwürdig. Höre nicht auf das, was andere über dich sagen, traue ihren Worten nicht, egal ob positiv oder negativ. Und vergiss nicht, Erfolg gibt es nicht umsonst.

Roman Polanski feierte im August seinen 90. Geburtstag und macht weiter Filme. Auch ein Zeichen, dass das Gerede vom toten Kino Unsinn ist?

Davon halte ich überhaupt nichts. Als das Kino aufkam, befürchteten viele, das Theater würde sterben, es existiert noch heute. Als das Fernsehen in die Wohnzimmer zog, begann das Jammern um den Tod des Kinos, beim Aufstieg der Streamer, ging das Klagen erneut los. Inzwischen kriegen die Streamer Probleme. Film und Kino gehen nicht unter. Eine Welt für andere zu schaffen, ist eine tolle Aufgabe. Es gibt immer wieder Menschen, die der Faszination des dunklen Raums erliegen und zusammen Gefühle teilen, eine andere Wirklichkeit sehen wollen als die vor ihrer Haustür.

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