Ohne Mätzchen ins Herz der Damen
Lang Lang und die Accademia di Santa Cecilia unter Antonio Pappano im Gasteig
Es gehört unter Feingeistern zum guten Ton, über Lang Lang zu nörgeln: Er habe zwar eine perfekte Technik, heißt es oft, spiele aber viel zu sehr auf Effekt und für die Galerie. Dahinter steckt viel deutscher Hochmut und auch ein wenig Ressentiment gegenüber einem Asiaten.
Am Donnerstag spielte der Wunderchinese ohne Manierismen und Mätzchen das Klavierkonzert Nr. 1 von Chopin. Natürlich dehnte er die gefühlvollen Stellen, aber er blieb diszipliniert. Vielleicht auch dank des herausragenden Begleiters: Antonio Pappano verlieh durch eine große Besetzung der Accademia di Santa Cecilia dem problematischen Orchesterpart mehr Gewicht als üblich. Lang Lang wurde von der Damenwelt mit Blumen überschüttet und fetzte die Schwarze-Tasten-Etüde risikofreudig in den Saal.
Romantische Zerrissenheit
Das war für sich schon höchst bemerkenswert. Aber es kam besser. Hector Berlioz’ „Symphonie fantastique“ wird von heimischen wie reisenden Orchestern meist lärmend als billiger Reißer dargeboten. Gerade den leisen und kleinen Noten widmeten sich Pappano und seine Italiener mit nötiger Sorgfalt. Stets vorwärtsdrängend holte der Dirigent die romantische Zerrissenheit im Kopfsatz heraus. Beim Marsch zum Richtplatz und dem Hexensabbat wurde die Grenze zur Geräuschhaftigkeit ohne Krachmacherei touchiert, wie es sich bei diesem Orchesterthriller gehört.
Von ein paar Unschärfen im Finale abgesehen: Besser wurde Berlioz in letzter Zeit in München kaum gespielt. Es ist erstaunlich, was Pappano aus der früher recht laschen Accademia gemacht hat. Wirklich schade, dass die Münchner Orchester mit diesem exzellenten Dirigenten nicht können.
Robert Braunmüller
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