Oder war’s doch Hamlet?
Salzburg: Das Nature Theater of Oklahoma auf der Spur von William Shakespeares Liebestragödie „Romeo und Julia“ beim Young Directors Projekt im republic
Romeo und Julia liebten sich, und das ist gut so. Denn weil das große Gefühl sich dem Gedächtnis am ehesten einprägt, hat man zumindest diesen einen Eintrag im Bildungskanon einigermaßen parat. Einigermaßen. Das New Yorker Regie-Gespann Pavol Liska und Kelly Copper, bekannt als Nature Theater of Oklahoma, nahm Telefonate mit Bekannten und Freunden auf, in dem diese die größte Liebesgeschichte aller Zeiten rekapitulieren sollten. Das Resultat: ein Textgemisch zwischen Inhaltsangabe, freier Assoziation und dem Gestammel der Erinnerungsarbeit. Wie war das? Hatte Romeo Gift auf den Lippen? Oder war das bei Hamlet? Was war das mit dem Brief? Und wer zur Hölle ist Mercutio?
Den unstet funkenden Synapsen kann man nun bei „Romeo und Julia“ zuhören, die kleine Truppe gastierte im Salzburger Republic, als letzte Aufführung beim „Young Director’s Project“, das in diesem Jahr konzeptionell ebenso diffus wirkte wie die Erinnerungen der Befragten. Gutes Entertainment gab es, zwingend erschien nichts.
Die Show amüsiert und schläfert ein
Wenn Robert M. Johanson und Anne Gridley auf einer Fake-Holz-Bühne die Antworten voll Pathos und pseudo-altenglischer Hyper-Intonation deklamieren, dann amüsiert die Show und läuft sich doch bald tot, weil man beim vierten „Ach ja, also, Romeo war ein Montague“ das Prinzip verstanden hat und sich eine Wendung wünscht. Die kommt erst gegen Ende, wenn das Paar über ersten Sex und das Bedürfnis des Schauspielers nach Zuneigung sinniert. Der Laie in seiner Bemühtheit gewinnt da gegenüber dem kalten Profi, dem Ungehobelten verleihen Johanson und Gridley ein enthusiastisches Gesicht. Ab und an steigt ein Gockel aus dem Souffleur-Kästchen und tanzt, ein Pausen-Hahn zwischen den Boxrunden. Der Kampf wird im Gehirn geführt, wo die Popkultur sich William Shakespeare einverleibt und mit Bildern dreist überwuchert hat. Erinnerungen an Leonardo DiCaprio und „West Side Story“ sind präsenter als das geschriebene Wort, doch hey, immerhin: Man erinnert sich! An diese Inszenierung wahrscheinlich weniger. Die nette Nebensitzerin in mittleren Jahren auf jeden Fall nicht: Sie ließ nach zwanzig Minuten die Lider fallen und träumte wohl von der ewigen Liebe.
Michael Stadler
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