Das Modelabel Odeeh: Mit Fleiß zur eigenen Luxusmarke

Mit kontraststarken Farbkombinationen, einzigartigen Mustern und fließenden Linien hat das in Bayern beheimatete Modelabel Odeeh einen unverwechselbaren Stil geschaffen, der international großen Anklang findet. Dahinter stecken das Talent und die jahrelange Berufserfahrung zweier Männer mit Mut zur Veränderung.
von  Sven Barthel
Seit 40 Jahren ein Team: Die Designer und Odeeh-Gründer Otto Drögsler (l.) und Jörg Ehrlich
Seit 40 Jahren ein Team: Die Designer und Odeeh-Gründer Otto Drögsler (l.) und Jörg Ehrlich © A. Knaub

Lust auf Farbe, Muster ohne sich als Clown zu fühlen? Dann ist man vielleicht ein Odeeh-Typ. "Eine Frau will nicht als Paradiesvogel wahrgenommen, aber gesehen werden", kennt Otto Drögsler seine Kundinnen.

Mit kontraststarken Farbkombinationen, wilden Mustern und fließenden Linien hat das bayerische Modelabel Odeeh einen Stil geschaffen, der international Anklang findet. Dahinter stecken das Talent und die jahrelange Berufserfahrung zweier Männer mit Mut zur Veränderung.

Dröglser ist die eine Hälfte des Designer-Duos - zuständig für den zeichnerischen Entwurf. Die andere Hälfte heißt Jörg Ehrlich - verantwortlich für die technische Umsetzung der Kollektion: "Es geht darum, sich abzuheben. Um Präsenz. Wer Odeeh trägt, zieht die Blicke auf sich. Das muss man aushalten."

Handgezeichnete Entwürfe bilden die Grundlage für neue Kollektionen.
Handgezeichnete Entwürfe bilden die Grundlage für neue Kollektionen. © Odeeh

Eine, die das kann, ist Anke Engelke. Die Schauspielerin ist Fan der bei Würzburg entstehenden Mode und trägt diese gern zu Anlässen wie Preisverleihungen und Veranstaltungen, die sie oft auch moderiert. Nicht nur wegen der Aufmerksamkeit, die sie generiert, sondern auch weil die Stücke "super funktionieren" und sie es noch nie erlebt habe, "das ein Reißverschluss kaputtgegangen ist", wie sie in einem Interview schwärmte.

Obwohl Odeeh gerade sein 15-jähriges Jubiläum feiert, in rund 170 Läden weltweit geführt wird und seit zwei Jahren ein Geschäft in Münchens Brienner Straße unterhält, gilt die Marke auch in der Modeszene noch immer als eine Art Geheimtipp. Was daran liegen könnte, dass Ehrlich und Drögsler wenig Werbung machen. "Das Geld, das wir hier einsparen, stecken wir lieber in das Produkt", erklärt Ehrlich seine Entscheidung.

Typisch Odeeh: individuelle Muster und bunte Farben.
Typisch Odeeh: individuelle Muster und bunte Farben. © Odeeh

"Ein typisches Odeeh-Piece gibt es nicht", meint Drögsler. Dennoch gibt es Wiedererkennungszeichen: hochgeschlossene Midi- und Maxi-Kleider in A- und H-Line finden sich in nahezu jeder Kollektion. Ebenso Blusen mit bauschiger oder geradliniger-grafischer Silhouette und kastig geschnittene Jäckchen.

Die Webereien von Dior und Vuitton arbeiten auch für sie

Doch die eigentlichen Stars einer jeden Odeeh-Kollektionen sind die Muster der Stoffe, die Drögsler und Ehrlich selbst gestalten und kombinieren: Blumen mit Streifen, 70s Op-Art-Dessins mit Schottenkaros und Figuratives mit Abstraktem. Mit ihrem tollkühnen Mustermix, der im Ergebnis trotzdem harmonisch, modern und elegant zugleich rüberkommt, haben Drögsler und Ehrlich ein stilistisches Merkmal für ihr Label geschaffen. Ob in gedruckter oder gewebter Form: Drögsler und Ehrlich lassen alle gemusterten Stoffe anfertigen. "Wir arbeiten mit denselben Webern, mit denen auch Dior und Louis Vuitton zusammenarbeiten, es sind die besten in ganz Italien", sagt Ehrlich ganz unbescheiden.

Derlei Exklusivität hat aber ihren Preis. Eine Seidenbluse kann schon mal 600 Euro kosten. Als Luxus-Label im Sinne von Chanel sehen sich Drögsler und Ehrlich dennoch nicht. Mit der Gelassenheit, derer, die sich ihrer Sache sicher sind, sprechen sie lieber von "Affordable Luxury" - also Luxus, der aus ihrer Sicht noch erschwinglich ist. "Wir bieten den Luxus der Individualität, liefern Styles, die man bei anderen Labels nicht findet."

Von Unterfranken in die Welt

Die Quellen, aus denen die beiden ihre Ideen schöpfen, sind unterschiedlich: "Mal ist es eine Postkarte, ein Archiv-Print, ein Kunstwerk oder eine besonders schräg angezogene Person auf der Straße." Vom unterfränkischen Giebelstadt, wo sich die Firmenzentrale befindet, in deren Nähe Dröglser und Ehrlich ein Wasserschloss bewohnen, schwirren sie regelmäßig hinaus in die Welt - Paris, Florenz, Istanbul, New York.

"Wir versuchen gegen den Strom zu schwimmen, weshalb wir auch keine Trend-Reports lesen. Wenn wir durch Geschäfte stöbern oder Stoffmessen besuchen, dann immer auch, um das, was wir dort sehen, genau so nicht zu machen. Wird eine Farbe zur Trendfarbe ernannt, werden wir sie in der betreffenden Saison garantiert nicht einsetzen.", sagt Drögsler.

Schon als Kind zeichnete (der heute 66-jährige) Otto Drögsler gern und viel und wusste spätestens mit 12 Jahren, dass er einmal Designer werden wollte. Er ergatterte mit der bestandenen Aufnahmeprüfung einen der Studienplätze für Modedesign an "der Angewandten" in Wien und landete dort in der Meisterklasse für Mode, die zu diesem Zeitpunkt von Karl Lagerfeld geleitet wurde. "Für mich war das ganz toll, denn ich habe später für ihn bei Chloé gearbeitet. Er hatte die Studenten in der Entwicklung ihrer eigenen Handschrift gefördert und war eine Art modischer Vordenker. Er ließ zum Beispiel Industrie-Nähmaschinen anschaffen, weil er überzeugt war, dass außerhalb der Couture kein Stich mit der Hand gemacht werden sollte. Er lehnte niemals etwas von vornherein ab und sagte immer, der Markt wird entscheiden, ob eine Person talentiert ist oder nicht. Von ihm habe ich gelernt, dass eine Idee auch toll gemacht sein muss."

Doch wann ist sie das? "Wenn eine Symbiose zwischen Entwurf, textiler Grundqualität und der Umsetzung besteht", bringt es Ehrlich auf den Punkt.

Jörg Ehrlich (61) wiederum ist über seine Ausbildung zum Herrenschneider in einem Frankfurter Maßatelier zum Modedesign gekommen und hat ein Studium absolviert, das deutlich technisch ausgerichtet war: Schnittentwicklung und Fertigungstechniken. "Was den zeichnerischen Part betrifft, war ich nie so talentiert wie Otto", gibt Ehrlich zu.

Seine erste Anstellung nach dem Studium findet er als Design-Assistent bei Escada in München, wo auch Drögsler zu diesem Zeitpunkt lebte und für die zum Escada-Konzern gehörende Marke Laurèl eine Abendkollektion entwickelte.

An das glamouröse Power-Couple hinter der Weltmarke Escada, Wolfgang und Margaretha Ley, erinnern sie sich mit Bewunderung, wie Ehrlich es erzählt: "Die beiden waren ein Paradebeispiel an Belastbarkeit. Frau Ley war eine detailverliebte Macherin, kannte die Farbnummern der Nährgarne und alle internationalen Dresscodes. Sie machte keine Skizzen, sondern kommunizierte ihre Ideen präzise an ihr Team. Her Ley sagte immer ‚Eine Frau, die zu uns in den Laden kommt, muss das Gefühl haben, dass ihr Kleiderschrank leer ist.' Eine sehr intensive, arbeits- und lehrreiche Zeit, da sich Escada zu dieser Zeit sehr internationalisiert hatte. Ich weiß nicht, ob es Odeeh geben würde, wenn wir diese Schule nicht durchlaufen hätten."

Der Schritt in die Selbstständigkeit

Von München ziehen Drögsler und Ehrlich gemeinsam nach Düsseldorf, von Düsseldorf in die bayerische Provinz, nach Schwarzach am Main, wo sie sich als Chefdesigner für das das Modelabel René Lezard - legendärer Werbeslogan in den 90ern: "Leider teuer" - in der deutschen Modebranche einen Namen machen. 14 Jahre arbeiten sie dort Seite an Seite zusammen, entwerfen rund 2000 Modelle pro Jahr.

Ihr Wunsch sich selbständig zu machen, stellte sie vor neue Fragen. Eine davon lautete: Wofür wollen wir mit unserer eigenen Marke stehen? "Wir wollten keine Kollektion machen, wo vom Seidenkleid bis zur Lederjacke gleich alles da hängt. Wir wollten aber auch keine Produktspezialisten sein, die sich auf die Herstellung eines spezifischen Kleidungsstücks beschränken", erinnert sich Ehrlich. Die Antwort lieferte der Zufall in Gestalt einer Frau, die ihnen in einer Hotel-Lobby begegnete. Sie trug einen auffälligen schwarzen Wollmantel, von dem sie aber beide einhellig dachten, der "wäre geiler in Jersey". Eine Strickart, für die sich nahezu alle Fasern eignen, von Baumwolle über Leinen und Seide bis Kaschmir.

Die Frage ist: Warum und wann kommt ein Modehaus ans Ende?

Der Anblick und die Idee war der Startschuss für die Konzeption der ersten eigenen Kollektion. Das Münchner Modekaufhaus Lodenfrey wird einer ihrer ersten Kunden, nimmt Odeeh in sein Sortiment auf. "Das Thema Jersey war für uns die Klammer, unsere ersten drei Kollektionen bestanden von Kopf bis Fuß aus Jersey in verschiedenen Gewichten. Jersey hängt sich gut aus, knittert nicht, hat eine fantastische Elastizität. Doch nach drei Kollektionen dachten wir, das wird jetzt aber zu gemütlich und haben das Konzept aufgebrochen."

Dass Mode von Veränderung lebt, ist Otto Drögsler und Jörg Ehrlich auch deshalb so bewusst, weil einige der Modehäuser, für die sie vor ihrem Sprung in die Selbstständigkeit gearbeitet haben, heute nicht mehr existieren: Escada, Rena Lange, Toni Gard, René Lezard. "Diese Marken hatten alle ihre Berechtigung, doch wenn man sich nicht grundsätzlich immer wieder in Frage stellt und verändert, gerät man an einen Punkt, an dem man nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Dadurch kommt immer wieder mal was Neues zum Zug", analysiert Ehrlich. "Und das ist auch gut so", führt Drögsler den Gedanken weiter aus. "Schließlich ist dadurch auch Platz für Odeeh entstanden."

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