„Nur so konnte ich überleben“

Der Saxofonist Klaus Kreuzeder kommt nach schwerer Krankheit zurück auf die Bühne: Mit neuer CD und seiner neuen Autobiografie – und dem Gefühl, dass er es unbedingt „noch mal wissen will“
von  Abendzeitung

Der Saxofonist Klaus Kreuzeder kommt nach schwerer Krankheit zurück auf die Bühne: Mit neuer CD und seiner neuen Autobiografie – und dem Gefühl, dass er es unbedingt „noch mal wissen will“

Selten war der Begriff Comeback so passend: Der Saxofonist Klaus Kreuzeder kommt zurück, nicht nur auf die Bühne, sondern ins Leben überhaupt. Es ist ein Wunder, von dem er im Interview berichtet.

AZ: Herr Kreuzeder, Sie waren vor kurzem dem Tod näher als der Konzertbühne. Was ist passiert?

KLAUS KREUZEDER: Es ging um eine verschleppte Lungenentzündung. Eines Abends war es dann fast schon zu spät. Mein Frau rief den Notarzt, der erst einmal mehrere Stunden darum rang, mich transportfähig zu machen. Dann kam ich in die Uniklinik, lag sieben Tage im Koma. Durch die Kunst der Ärzte war es möglich, ins Leben zurückzukommen, nachdem ein Luftröhrenschnitt gemacht worden war.

Trotzdem können Sie wieder Saxofon spielen?

Ich hatte einen solchen Eingriff bislang immer abgelehnt, weil er normalerweise das Saxofonspielen dauerhaft unmöglich macht. Aber nun war es für mich die einzige Möglichkeit, erstmal zu überleben. Erstaunlicherweise ging es mit mir dann doch wieder steil bergauf und man konnte nach etwa drei Wochen den Schlauch aus meiner Luftröhre herausnehmen. Nach relativ kurzer Zeit wusste ich: Das könnte doch wieder gehen mit dem Spielen. Leider habe ich zwei weitere Erkrankungen – Prostatakrebs und Post-Polio-Syndrom – die leider noch nicht beseitigt werden konnten. Ich bin also noch nicht ganz über den Berg.

Schon vor Jahren sagten Ihnen Ärzte, Sie seien vermutlich nur deshalb noch am Leben, weil Sie mit dem Saxofon Ihren Atemmuskel perfekt trainiert haben. Hat das Ihr Verhältnis zur Musik verändert?

Da begreift man sicher noch mehr, wie wichtig einem die Musik ist. Ich bin ja ein kleines medizinisches Wunder, die Krankheiten sind immer besser verlaufen, als man zunächst dachte. Das Musikmachen ist so gesehen auch eine Therapie.

Im letzten Sommer bei der Verleihung des Schwabinger Kunstpreises hatten Sie noch einen sehr bewegenden Kurzauftritt, kurz darauf mussten Sie um ihr Leben kämpfen. Wie geht es Ihnen heute, gerade mit Blick auf das anstehende Konzert?

Ich trainiere seit einiger Zeit verstärkt die Bauchmuskeln, der Ton kommt ja aus dem Bauch. Ich muss schon alles geben am Sonntag, damit ich spielen kann. Aber aufgeben ist nicht meine Natur.

Auf der CD sind einige neue Aufnahmen, ansonsten ist es ein Blick auf Ihr Schaffen in den letzten 25 Jahren. Hat sich Ihr Spiel in dieser Zeit verändert?

Als Musiker verändert man sich immer irgendwie. Aber unterm Strich ist es dann doch der Kreuzeder. Entscheidend war, dass ich mich durch die Festlegung auf kleine Formationen, vor allem Duos, immer sehr intensiv reinhängen musste. Ich sehe meine Musik als Soul, denke relativ wenig beim Spielen, bin sehr emotional. Ich versuche, es fließen zu lassen. So wird man im Laufe der Jahre natürlich auch technisch immer besser. Und je älter man wird, desto effektiver spielt man. In jungen Jahren lässt man 1000 Töne raus, die man gar nicht braucht.

Sie standen mit vielen großen Popstars auf der Bühne, trotzdem mussten Sie oft materiell um Ihre Existenz kämpfen. War das enttäuschend für Sie, dass sich der Musiker-Ruhm oft nicht auszahlte?

Der Beruf des Musikers ist genauso risikobehaftet wie jeder andere, das wird in der Öffentlichkeit oft übersehen. Mein Luxus war, dass ich immer die Musik machen konnte, die ich wollte. Wenn ich mit Sting oder Stevie Wonder auf der Bühne stand, hat mir das vor allem musikalisch unheimlich viel gebracht. Aber viele denken, der Kreuz-eder hat seine Schäfchen im Trockenen – auch diesen Eindruck wollte ich mit dem Buch korrigieren.

Wie wollen Sie sich nun auf der Bühne präsentieren?

Ich will’s immer nochmal wissen, das ist klar. Ich schaue immer nach vorn. Wir machen ein gemischtes Programm, mit Lesungen, mit Einspielungen, etwa eine wunderschöne Aufnahme von Al Jarreau und mir in der Philharmonie, es sind Gäste dabei. Das wird ein Abend, wie ich ihn so bislang noch nicht geliefert habe.

Die CD endet mit Ihrer Version von „What A Wonderful World“. Es wirkt, als würden Sie den Satz in jeder Hinsicht unterstreichen wollen.

Ich bin ein Typ, der wahnsinnig gerne lebt. Und der ein schönes Leben gehabt hat bislang. Zwar gab es bestimmt schon 500 Konzerte, bei denen ich kurz vor dem Umkippen war, aber keiner hat’s gemerkt. Es ist für mich das Selbstverständlichste von der Welt, immer alles zu geben.

Michael Grill

Klaus Kreuzeder: „Glück gehabt“ (Langen Müller Verlag, 19.95 Euro). Am Sonntag in der Muffathalle mit CD-Premiere und Gästen, Beginn 19 Uhr

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