Nur nicht kuscheln
"Viele sind mit uns aufgewachsen – und die sagen: „Eh, macht nur – wir hören’s an!“ Mit Würde unbeugsam durchs Musikgeschäft: BAP hat ein neues Album herausgebracht.
Seit Jahren quälen sie die Leute mit einer Sprache, die außerhalb des Rheinlands keiner versteht, und doch ist die neue BAP-CD „Radio Pandora“ in den bundesweiten Albumcharts von null auf Platz eins eingestiegen.
AZ: Herr Niedecken, können Sie uns das mal erklären?
WOLFGANG NIEDECKEN: Das ist nicht zu ergründen, es hat irgendwas Magisches. Das ist schon unser zehntes Nummer-1-Album – als ob es eine große Selbstverständlichkeit wäre. Mit so einem Stammpublikum im Rücken kannst du beruhigt arbeiten. Viele sind mit uns aufgewachsen – und die sagen: „Eh, macht nur – wir hören’s an!“
Und nun müssen Sie von Hamburg bis München erläutern, warum man mit Kölschrock noch Erfolg haben kann.
Wir hatten die Diskussion bis 1999 auch in der Band. Der Major (Klaus Heuser, damaliger BAP-Gitarrist, d. Red.), wollte, dass ich ein hochdeutscheres Kölsch singe oder am besten ganz Hochdeutsch und wir von der Instrumentierung radiokompatibler werden.
Also „Musik, die nit stührt“, wie ein neuer Song heißt.
Ein Comic, wo so’n armer Typ morgens mit falschem Lied im Radiowecker wach wird, dann im Supermarkt berieselt wird von dem, was er nicht hören will, und schließlich ihm im Autoradio wieder so’n James-Blunt-Kastrat entgegenwispert.
Oder Phil Collins.
Ach, es gab ja fantastische Genesis-Alben. Aber das Zeug, was er seit langem macht, das nervt. Ich kann dieses Formatgedudel nicht ertragen und war froh, als die Sache mit dem Major ausgestanden war. So wollte ich auf Dauer nicht weiter Musik machen. Wir mussten das Ding drehen, das hat dann dazu geführt, dass der Major ausstieg.
Macht BAP denn im Umkehrschluss Musik, die stört?
BAP muss nicht stören. Ich sehe uns nicht als Revoluzzer-kapelle. Für eine Band, deren Durchschnittsalter Mitte 40 mit der Tendenz zu 50 ist, würde es sich nicht gut machen, wenn man den Berufsjugendlichen, den Berufsrevoluzzer raushängen lässt. So bin ich auch gar nicht.
Das Cover der neuen CD zeigt einen alten Koffer, den Sie aus dem Keller geholt haben und mit dem Sie gewissermaßen Ihre Zuhörer mit auf Reisen nehmen, musikalisch.
Ein zentraler Satz bei der Entstehung des Albums war eine Stelle aus Bob Dylans „Chronicles“, mit denen ich auf Lesereise war: Songs sind Träume, die man wahrzumachen versucht. Songs sind wie fremde Länder, die man bereist.
Wobei Sie auf „Radio Pandora“ erschütternde Geschichten besingen, wie in „Noh Gulu“, einem Lied über die Kindersoldaten in Uganda.
Der Pandora-Koffer ist ein Symbol dafür, dass diese Songs von Übeln handeln, aber auch von der Hoffnung. Es waren einige eigentlich schöne Souvenirs in diesem Koffer, die an etwas Furchtbares erinnern. Etwa diese Trommel, die ich aus Gulu mitgebracht habe. In Norduganda die Kindersoldaten zu erleben, war das Schlimmste, was ich je gesehen habe. Bei einer Vorführung hat mich ein kleines Mädchen an der Hand gezogen und in merkwürdigem Englisch gesagt: Please Mister, promise not to forget. Ich habe ein Lied für sie geschrieben.
14 Stücke auf der Plugged-Version und dann nochmal 14 unplugged – warum gleich zwei Alben auf einmal?
Wir hatten einfach zu viel Material, das wir unterbringen wollten, und dann kam ein schlauer Mann von der Plattenfirma – ist doch prima. Das ist ja unplugged so bearbeitet, dass auch mal die Fetzen fliegen, das sind auch unplugged Stücke, die richtig abgehen. Kuschelrock ist mit mir nicht zu machen. Gunnar Jans
BAP: „Radio Pandora“ (EMI)
Die Band kommt am 25. 11. in die Muffathalle. Karten in der AZ-Schalterhalle, Tel. 2377 233