Nur keine Angst zeigen

Die Moderatorin und Autorin Amelie Fried über ihren neuen Roman, die Schwierigkeit einer Mutter, die Kinder loszulassen, und ihre neue Literatursendung im ZDF
von  Abendzeitung

Die Moderatorin und Autorin Amelie Fried über ihren neuen Roman, die Schwierigkeit einer Mutter, die Kinder loszulassen, und ihre neue Literatursendung im ZDF

Im Sommer startet Amelie Frieds ZDF-Literatursendung. Heute bereits erscheint ihr eigener neue Roman „Immer ist gerade jetzt“. Fredas Mann ist vor zwei Jahren von einem Ausflug in die Berge nicht zurückgekehrt. Die Beziehung zur 18-jährigen Tochter Josy ist seit dem noch enger. Als Josy für ein Jahr nach Mexiko gehen will fällt es Freda nicht leicht loszulassen. Gerade als sie begonnen hat, sich in ihrem neuen Leben einzurichten, erreicht sie die schreckliche Nachricht: Josy ist im fernen Land spurlos verschwunden.

AZ: Frau Fried, Freda wird von ihrer Tochter „Panik-Mom“ genannt. Sind Sie eine Panik-Mom?

AMELIE FRIED: Total. Ich bin eine sehr fürsorgliche, manchmal überfürsorgliche Mutter. Ich neige dazu, meine Kinder mit meiner Liebe hin und wieder einzuengen.

Das Buch dreht sich um die Abnabelung einer Tochter. Wann kam Ihnen die Idee?

Als mein Sohn vor zwei Jahren, als er gerade sechzehn war, ein Jahr lang nach Amerika ging. Diese Gefühle, die mich da als Mutter umgetrieben haben: Mein Gott, das Kind alleine in einem fremden Land, soweit weg und eine fremde Sprache...diese Empfindungen wollte ich in eine Geschichte packen.

"Wichtig ist, dass man seine Ängste die Kinder nicht spüren lässt"

Was ist das Schwierigste bei der Abnabelung?

Man weiß ja als Mutter, dass man die Kinder zum richtigen Zeitpunkt loslassen muss. Man muss Ihnen etwas zutrauen. Und es gibt auch Erfahrungen, vor denen können wir unsere Kinder nicht schützen. Wichtig ist, dass man seine Ängste die Kinder nicht spüren lässt. Wie sollen sie sonst frei, mutig und selbstbewusst ins Leben gehen?

Sie selbst haben sich ja sehr früh abgenabelt.

Ich habe mit 16 Abitur gemacht und bin dann zuHause raus. Bevor ich nach München gezogen bin, bin ich einmal bei Nacht und Nebel abgehauen, zu meinem Freund nach Berlin.

Was würde die Panik-Mom von heute dazu sagen?

Grauenvoll. Ich hoffe inständig, dass meine Tochter mir so etwas nicht antun wird – aber ich hätte es wohl verdient.

Sie haben mit 17 schon alleine in München gewohnt.

Ja, in Schwabing. Und ich weiß wirklich nicht, ob ich das meinen Kindern erlauben würde. Meine Mutter war erstaunlich entspannt. Ich glaube, sie hat mir eben viel zugetraut.

Was waren Sie für ein Teenager?

Ein grässlicher Teenager, ich war pampig und zickig und sowieso meistens schlecht gelaunt. Zwischen elf bis 21 gibt es kein Foto von mir, auf dem ich lächle. Da habe ich bisher bei meinen Kindern wirklich Glück gehabt.

Ich denke nicht, dass es da Probleme gibt. Elke Heidenreich ist ja auch Autorin. Außerdem werde ich nicht draufhauen, es geht wirklich darum, wie eine Art Trüffelschwein Bücher zu finden, die die Zuschauer vielleicht sonst nicht mitkriegen würden.

"Ich bin keineswegs rein hormonell gesteuert"

Frau Heidenreich war im Literaturbetrieb eine mächtige Frau. Wie gehen Sie mit Ihrer neuen Verantwortung um?

In gewisser Weise bin ich mir einer Verantwortung bewusst, aber ich versuche, darüber nicht nachzudenken. Ich möchte meinen Job einfach so gut wie möglich und ganz unbestechlich zu machen.

Ko-Moderator Ijoma Mangold kommt aus dem Feuilleton, sie schreiben Unterhaltungsliteratur – zeigt das schon die Rollenverteilung?

Die Idee ist schon, dass wir ein vielfältiges Team sind. Aber ich habe auch mal Germanistik studiert, wenn auch nicht zu Ende. Ich habe vielleicht einen intuitiveren und unintellektuelleren Zugang zu Büchern – aber bin keineswegs rein hormonell gesteuert und auch ich habe es ganz gern, wenn mein Kopf beschäftigt wird.

Das klassische Feuilleton rechnet ihr Bücher ja gerne der „Frauenliteratur“ zu.

Den Begriff mag ich besonders. Der Unterton beim Wort Frauenliteratur ist ja „dämliche Frauenliteratur.“ Und was soll das sein? Alle Bücher, die von Frauen geschrieben werden? Alle, in denen Frauen vorkommen? Alle, die von Frauen gelesen werden? Frauen lesen ohnehin mehr Belletristik als Männer. Und die Herablassung, mit der auf Unterhaltungsliteratur oft eingehauen wird, sagt meines Erachtens mehr über den Absender, als über das Produkt.

Nochmal zu Ihrem Sohn. Wie hat er das Jahr in Amerika gemeistert?

Sehr gut, er hat weder seinen Pass verloren, noch stand er ohne Kleidung da oder ist vereinsamt. Und ich muss sagen, es tritt ein gewisser Lerneffekt bei mir ein. Ich bin stolz auf ihn. Nach der Schule geht er ein Jahr nach Mexiko. er wird das schaffen – und ich auch.

Tina Angerer

Amelie Fried „Immer ist gerade jetzt“ (Random House, 400 Seiten, 19,95 Euro)

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