Kritik

Das Hofspielhaus zeigt "Novecento - Die Legende vom Ozeanpianisten"

Willkommen an Board: Georg Büttel inszeniert Alessandro Bariccos Bestseller
Anne Fritsch |
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Er studierte Musikwissenschaft, Germanistik, Geschichte und Dirigieren an der Universität der Künste Berlin sowie Schauspiel in München. Deshalb kann Henry Arnold auch alles.
Tobias Melle Er studierte Musikwissenschaft, Germanistik, Geschichte und Dirigieren an der Universität der Künste Berlin sowie Schauspiel in München. Deshalb kann Henry Arnold auch alles.

Stolze 22 Rollen, ein Flügel, eine Bühne von maximal zehn Quadratmetern und ein Schaupieler. Henry Arnold spielt im Hofspielhaus Alessandro Bariccos "Novecento - Die Legende vom Ozeanpianisten". Er spielt Tim Tooney, den Trompeter, der 1927 auf dem Ozeandampfer Virginian anheuert, die Passagiere auf den Überfahrten zwischen Europa und den USA musikalisch unterhält, "damit sie vergaßen, wer und wo sie waren". Denn das Meer macht Angst, und Angst ist wenig hilfreich, wenn das rettende Ufer Tausende Meilen entfernt ist.


Georg Büttel hat das Solo inszeniert, und es braucht nicht viel, um das Publikum selbst ein wenig ins Wanken zu bringen wie auf der Gangway beim Landgang. Bühnenbildner Thomas Bruner hat einen Rettungsring an die Wand gehängt, ansonsten sorgen zwei Geländerteile, ein Überseekoffer mit allerlei Requisiten und natürlich: der Flügel für das nötige Transatlantik-Flair. Arnold betritt die Bühne - und das Boot - durchs Publikum kommend, nimmt einen mit auf eine Reise nicht nur von Amerika nach Europa, sondern ins frühe 20. Jahrhundert. In die ziemlich autarke Welt der Überseeschiffe, die manch einem selbst zur Heimat wurden.

Hier wurde während einer der Reisen jener Junge geboren und von seinen Eltern zurückgelassen, den der Matrose Danny Boodman in einer Zitronenkiste fand und gewissermaßen adoptierte. Er taufte den Jungen "Danny Boodman T.D. Lemon Novecento". Ein Name, der sich aus seinem Finder, seinem Fundort (der Zitronenkiste) und dem Jahrhundert zusammensetzte.

Einmannstück vom Heizer bis zur reichen Amerikanerin

Dieser Novecento nun steht im Zentrum der Erzählung des Trompeters, der sein Freund wurde. Arnold schlüpft in alle Rollen vom Heizer bis zum Bandleader, von der reichen Amerikanerin bis zu Jelly Roll Morton, dem "Erfinder des Jazz". Dieser forderte den merkwürdigen Novecento, der - obwohl er seinen Dampfer zeitlebens niemals verlassen sollte - zu einiger Berühmtheit gelangt war, zu einem musikalischen Duell auf.

Das Spiel Mortons beschreibt Arnold nur. Doch was heißt "nur"? Es ist schon bemerkenswert, mit welchen Worten Baricco diese Musik beschreibt, die in den Bordellen Amerikas gereift ist, selbst zum zärtlichen Liebesakt mit den Tasten wird.

Wenn dagegen Novecento spielt, setzt Arnold sich selbst an den Flügel. Und auf einmal wähnt man sich wirklich irgendwo in einer schummrigen Piano-Bar, möglicherweise auch auf einem Überseedampfer, der der Titanic gleicht. Denn auch das kann er, dieser Arnold: wunderbar Klavier spielen.

Während Tim Tooney die Virginian nach einigen Jahren verlässt, weil ein Trompeter auf dem Meer "immer ein Fremder" ist, setzt Novecento sein ganzes Leben lang keinen Fuß an Land. Einmal versuchte er es, in New York, zwei Stufen schritt er die Treppe herunter - um dann wieder umzukehren. "Das Land ist ein Land, das zu groß für mich ist", erklärt er seinem Freund Tooney später. Es biete zu viele Optionen. Quasi: das Land der zu vielen Möglichkeiten.

Wie solle er sich entscheiden? Für eine Straße, ein Haus, ein Leben? Er bleibt also auf dem Dampfer, auf dem er geboren wurde. Dessen Ende soll schließlich auch sein eigenes sein. Es ist eine wunderlich faszinierende Geschichte, die Baricco da erzählt. Und dieser Abend fängt ihren Zauber ein.

Falkenturmstraße 8, wieder am 9., 13. und 14. Dezember und im Januar am 12. und 14.01., Karten unter % 24 20 9333 sowie unter www.muenchenticket.de

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