Nomi, Bowie und Barock
Es führt kein Weg von Henry Purcell zu David Bowie. Aber ein Umweg? Das schon: über Klaus Nomi, eine der schillerndsten Gestalten der Musik Anfang der 80er Jahre. Seine Markenzeichen: spektakuläre Show, exzentrische Kostüme, offen gelebte Homosexualität – und seine Stimme: Nomi war einer der frühen Countertenöre. Nicht nur für die Popmusik war das damals ziemlich neu.
Andreas Scholl hat Nomi auf seiner Purcell-CD eine Arie gewidmet, den „Cold Song” aus „King Arthur”. Warum? Da muss er weit ausholen. „Bevor ich je an Alte Musik gedacht habe, gab es zu der Zeit, als Fernsehsender nachts noch abgeschaltet wurden, kurz vor Sendeschluss Klaus Nomis ,Cold Song’ im Privatfernsehen”, erzählt er. „Später hörte ich das Original, gehört, gesungen von einem Bariton und dachte: ,Ach, da kommt das her!’ Sonst wäre ich wahrscheinlich nie auf die Idee gekommen, das eine Oktave höher selbst zu singen."
Nomi, ausgebildeter Opernsänger (und Konditor), gehörte zur New Yorker Subkultur seiner Zeit. David Bowie wurde auf ihn aufmerksam, förderte ihn, manche meinen sogar, dass Bowies exzentrische Phase von ihm inspiriert war. Aber bevor Nomi Weltkarriere machen konnte, starb er 1983 als eines der ersten prominenten Aids-Opfer.
Mit Nomi hat es aber nicht zu tun, dass Andreas Scholl sich schon lange für die Deutsche Aids-Hilfe einsetzt. „Ich hatte in den 80ern meine erste Freundin und gehöre alszur ersten Generation, die mit der Immunschwäche konfrontiert war. Damals waren wir verängstigt: Etwas so Schönes wie Sex war vom Tod bedroht. Heute unterschätzen vor allem die Jugendlichen die Gefahr, sie müssen aufgeklärt werden und Verantwortung zu lernen.”
Als Mensch
Zu Nomis Spezialitäten gehörte die Travestie: Außer Purcells „Cold Song” sang er auch die Abschiedsarie aus Purcells „Dido und Aeneas”. Auch die singt Andreas Scholl auf seiner CD. Doch da gibt es einen gewaltigen Unterschied. „Die Versuchung, Didos Abschied zu singen, ist einfach riesengroß. Es ist so schöne Musik, die neidet man den Sopranistinnen! Aber außerhalb einer Opernaufführung kann man die Arie aus der Geschlechterrolle herausnehmen. Dann singe ich das ganz einfach als Mensch, der im Sterben alle bittet, sich nur an die guten Dinge zu erinnern.”
„Sweeter than Roses” heißt in München der Purcell-Abend, mit dem Scholl derzeit tourt. Natürlich gibt es auch neue Pläne: Er bereitet eine Bach-CD mit Solokantaten bereitet er gerade vor: „Daran kann man sich als Sänger aufreiben”. Opernprojekte gibt es auch. Aber nicht zu viele: „Man ist lange und oft weit von zu Hause weg. Meine Freundin ist mir wichtig, und ich möchte für meine Tochter da sein, auch wenn sie nicht bei mir, sondern bei ihrer Mutter lebt.” Aber an der Met wird er wieder den Bertarido in Händels „Rodelinda” geben, mit Renée Fleming in der Titelrolle. Bei den Pfingstfestspielen 2012 steht er in Salzburg mit Cecilia Bartoli in Händels „Giulio Cesare” auf der Bühne.
Ist er in der Oper auf Händel fixiert? Scholl lacht: „Ich hab ja mal gesagt, dass ich alle Rollen spielen will, die Händel für den Kastraten Senesino geschrieben hat. Ich glaube, das wären noch ungefähr siebzehn. Aber das schaffe ich wohl nicht!”
Birgit Gotzes
Prinzregententheater, Sa., 20 Uhr, Restkarten; CD: „O Solitude", Decca