Nofretete bleibt Berlinerin

Wem gehört die Pharaonengattin? Seit 1924 ist sie Star der Ägyptischen Stammlung, doch die Ägypter fordern die Büste von den Deutschen zurück. Ein Streit, der so alt ist wie die Ausgrabung
von  Abendzeitung

Wem gehört die Pharaonengattin? Seit 1924 ist sie Star der Ägyptischen Stammlung, doch die Ägypter fordern die Büste von den Deutschen zurück. Ein Streit, der so alt ist wie die Ausgrabung

Schon der Klang ihres Namens besitzt Zauber. Übersetzt heißt er „Die Schöne ist gekommen“. Nach Berlin gelangte sie 1913 in die Villa des Mäzens James Simon, wo ihr Kaiser Wilhelm II. mehrmals einen Besuch abstattete. Seit 1924 ist sie Star der Ägyptischen Sammlung auf der Museumsinsel.

Nofretete war die Gattin des ägyptischen Ketzerkönigs Echnaton, der im 14. vorchristlichen Jahrhundert eine monotheistische Sonnenreligion einführen wollte. Er gründete die neue Hauptstadt Achet-Aton, die ab 1907 von Ludwig Borchardt ausgegraben wurde. Am 6. Dezember entdeckte der deutsche Archäologe die Büste der Königin in der Werkstatt des Oberbildhauers Thutmosis und notierte im Grabungstagebuch: „Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen.“

Der klangvolle Name bedeutet „Die Schöne ist gekommen“

James Simon, der die Grabung finanzierte, stellte sofort 36000 Mark für den Ankauf der Büste zur Verfügung. Er brauchte sie nicht auszugeben, weil die ägyptischen Behörden bei der Fundteilung Nofretete den Deutschen zusprachen. Obwohl es dafür keine Belege gibt, wird Borchardt verdächtigt, die Büste zur Tarnung mit Lehm verschmiert zu haben. Das ist schon deshalb Unsinn, weil der Archäologe um die Fragilität der Farben wusste. Die Ägypter, vertreten durch den Franzosen Gustave Lefebvre, erhielten den „Klappaltar von Kairo“, ein farbiges Altarbild, das das Königspaar Echnaton und Nofretete mit ihren Kindern zeigt. Laut Borchardt besaß das Museum in Kairo bisher kein solches Fundstück. Deshalb hatte er dem einen Teil der Funde den Klappaltar und dem anderen die Büste der Königin zugeordnet.

Wahrscheinlich war es das Pech der Ägypter, dass Lefebvre ein Experte für Inschriften war und sich für Büsten weniger interessierte. Borchardt wandte sich lange hartnäckig gegen die öffentliche Ausstellung Nofretetes, weil er nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg Ansprüche der Briten fürchtete, die als Kolonialmacht das Land am Nil beherrschten.

Und ähnlich kam es auch. Die Aufstellung der Büste im Neuen Museum machte die Ägypter begehrlich. Pierre Lacau, der Direktors des dortigen Antikendienstes, zweifelte die rechtmäßige Fundteilung nicht an, machte aber für die Rückgabeforderung „moralische“ Gründe geltend und verweigerte Borchardt eine neue Grabungslizenz.

Göring an Hitler: „Ein Meisterwerk, Juwel, ein wahrer Schatz!“

Später sollte die Büste gegen zwei Statuen getauscht werden, aber unter dem Druck der öffentlichen Meinung blieb sie in Berlin. 1933 scheiterte die Rückgabe durch den preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring an Hitler: „Es ist ein Meisterwerk, ein Juwel, ein wahrer Schatz“, sagte er in einer Rede. Hitler wollte nach der Umgestaltung Berlins zur Welthauptstadt Germania die Büste in einem eigenen Saal eines neuen Museums zeigen.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte die Büste in der US-Besatzungszone. Wieder unternahmen die Ägypter einen Versuch: Die Büste sei nicht kriegsbedingt nach Deutschland gelangt, entschieden die Amerikaner. Sie mussten auch Gelüste ihres eigenen New Yorker Metropolitan Museum abwehren. Seit etwa fünf Jahren werden Ägyptens Forderungen lauter. Antikenchef Zahi Hawass würde die aus Gips und Kalkstein bestehende Büste gern zur Eröffnung eines neuen Museums ausleihen. Sagt er. Von konservatorischen Bedenken einmal abgesehen: Wenn Nofretete einmal in Kairo ist, kommt sie kaum jemals wieder zurück.

Robert Braunmüller

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