Noch einmal flirten mit dem Tod

Florian Henckel von Donnersmarcks neuer Film „The Tourist“ begibt sich auf Zeitreise in Venedig – und findet den Glamour alter Tage
von  Abendzeitung

Florian Henckel von Donnersmarcks neuer Film „The Tourist“ begibt sich auf Zeitreise in Venedig – und findet den Glamour alter Tage

In den goldenen Zeiten Hollywoods erlag man noch bedenkenlos dem schönen Schein, da durfte alles Schall und Rauch sein. Das Anzünden einer Zigarette gehörte schlicht zum Glamour dazu, diese Entscheidung für den Genuss, dieser kleine Flirt mit dem Tod.

Der Mann im Zug macht sich eine Elektro-Zigarette an, mit Nikotin, aber ohne krebserregende Zusatzstoffe. Dafür leuchtet ein LED-Licht, wenn er daran zieht. „Schwach“, findet das die geheimnisvolle Frau, die sich unverhofft zu ihm gesellt hat. So sieht das aus, beim ersten Treffen zwischen dem Mathelehrer aus Wisconsin und der Geliebten eines Gangsters, zwischen Johnny Depp und Angelina Jolie, den Stars von „The Tourist“. In der Elektro-Zigarette steckt schon die Frage um die Zusammensetzung der Stoffe, die Chemie (die zwischen den Stars laut US-Presse fehlt), und so banal erscheint dieser Austausch gar nicht.

Gibt's heute noch Glamour?

Denn nicht nur wird hier ihre Beziehung verhandelt, sondern auch, ob in unseren gesundheitsfanatischen Zeiten sich der Glamour noch herstellen lässt. „Ja!“, würde Florian Henckel von Donnersmarck sagen. Er entwickelt in seinem zweiten Film eine charmante Nebenhandlung, in der es darum geht, ob Kettenraucher Johnny in seiner Rolle den Verlockungen „echter“ Zigaretten widerstehen kann. Ihn dabei zu beobachten, bereitet Vergnügen. Und der Film macht Spaß, weil er in seiner Unvollkommenheit, seinen Gags und bezaubernden Venedig-Aufnahmen eine Leichtigkeit entwickelt, die dem kontrolliert-präzisen „Leben der anderen“ abging.

Es ist ein kleines, lockeres Genre-Stück mit einer Handlung, über die man nicht zweimal nachdenken sollte: Frank wird von Elise in Venedig zum Mitgehen verführt, in ein Zimmer in einem schicken Hotel. Da weiß der Zuschauer schon, dass sie die Freundin eines Gangsters ist, der seinem Boss eine Menge Geld geklaut hat und nun von diesem und Scotland Yard gejagt wird. In Venedig will sie ihn treffen – Frank soll die Verfolger ablenken.

Ein Doppelspiel ist das, auch für Angelina Jolie, die im Dienste des Verbergens unterkühlt, fast regunglos spielt. Die reine Präsenz zählt, und damit kommt sie doch den Stars von einst sehr nahe. Unbeholfen wirken die Action-Szenen in Venedig. Altmodisch könnte man auch sagen, wenn man es gut meint. Sehnsuchtsvoll geht Franks Blick bei einem Verhör zur glühenden Zigarette im Aschenbecher. Und man wünscht ihm, dass er am Ende der Versuchung erliegt.

Michael Stadler

Kino: Cadillac, Gloria, Leopold, CinemaxX, Münchner Freiheit, Neues Gabriel, Royal, Tivoli, Atelier (OmU), Cinema und Museum Lichtspiele (OV). R: Florian Henckel von Donnersmarck (USA, 103 Min.)

Der Trailer

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