Nils Frahm in der Isarphilharmonie

Gegen Ende des Konzerts taucht Nils Frahm unter dem Klavier ab, erzeugt, fürs Publikum nicht sichtbar, Klänge, indem er die Saiten und den Körper des Instruments bearbeitet. Es ist ein Klopfen und Dröhnen, dunkel, konfus. Bis sein Kopf wieder von unten auftaucht, seine Hand sicher die oberen Tasten, die hellen Töne findet und Arpeggien spielt, die sich per Loop verdichten, steigern, bis hin zur Euphorie.
Der exakt getimte Wechsel von der dumpf wummernden Dissonanz zur klaren Harmonie ist altbekannt; den Einstieg hat Frahm in früheren Konzerten mit den titelgebenden "Toilet Brushes" gespielt. Was charmant-weltlich war - Achtung, selbst auf dem Klo lässt sich Schlagwerk für perkussive Experimente finden! -, während Frahms Minimal Music ansonsten in transzendente Sphären abhebt.
Auf der Bühne ein Musik-Altar
Zu Beginn seines Konzerts in der ausverkauften Isarphilharmonie erzeugt der Hamburger an der rotierenden Glasharmonika messerscharf schimmernde Klänge, die in ihrer sakralen Anmutung zum Musik-Altar passen, der Frahm wie gewohnt umgibt. Zwischen den wohl verteilten Keyboards, Reglern und Mischpulten wuselt er als Hohepriester der Neoklassik mit traumwandlerischer Sicherheit herum, dreht hier an einem Knopf, drückt dort ein paar Tasten, schichtet analoge und elektronische Klänge aufeinander, ineinander, was insgesamt nach einer recht sportlichen Unternehmung aussieht.
Nach jedem Stück verbeugt Frahm sich und wischt sich den Schweiß von der Stirn - das Publikum zu beglücken ist eben auch Arbeit. Virtuos ist sein Klavierspiel nur in wenigen Momenten; sein Geschick besteht vielmehr im Zusammenbasteln von Klanglandschaften, aus denen selten einprägsame Motive herausragen. Manches Instrumental taugt mit seinen Sound-Flächen und Beats zum Clubtrack. Da wird Frahm zum DJ, und irgendwo oben in den Reihen, schemenhaft im Dunkeln, tanzt ein einzelner Zuhörer.
Das Licht musiziert mit
Wenn Frahm sich nach einer furios ausufernden Komposition einzig auf das Klavierspiel konzentriert, wirkt das wie eine gezielt gesetzte Pause, die aber so in Einfachheit schwelgt, dass man nicht weiß, ob man es zu schlicht oder einfach schön finden soll. Es wirkt so, als ob man Frahm beim Nachdenken zuhört: Ein Gedanke, ein Ton, ein Akkord folgt dem nächsten, in aller Seelenruhe, was das Publikum womöglich ebenfalls entschleunigen und für das Detail, den einzelnen Klang sensibilisieren mag.
Mancher Sound klingt dabei so solitär wie es der Mann auf der Bühne ist. Bilder der Einsamkeit liegen bei einem Solo ja nahe - wie wäre es, wenn Frahm mal mit einer Band auftreten würde, wo würde ihn das hinführen? So macht da einer konstant sein Ding, muss keine Kompromisse eingehen - und befindet sich sowieso in guter Gesellschaft: Nicht nur das Publikum, das er einmal dazu animiert, Tiergeräusche zu machen, um diesen Lärm ins nächste Stück einzuweben, hat Frahm an seiner Seite, sondern auch die Scheinwerfer, die im Dialog mit ihm und seiner Musik ihre Lichtsignale funken.
Behaltet die Isarphilharmonie!
Betörend schön sieht das aus, das Licht musiziert mit. Einmal macht Frahm eine längere Ansage, lobt die Isarphilharmonie, ihre Akustik, ja, so einen Raum wie diesen gäbe es in Berlin nicht. "Ich möchte den gerne mitnehmen", sagt Frahm. Und: "Behaltet den auf jeden Fall!" Was man von diesem Konzert mitnimmt, ist eine Wärme, akustisch wie optisch, die man gerne für den Alltag konservieren möchte.