Nico Hofmann: „Ich bin von Guido Westerwelle enttäuscht“
FDP-Wähler Nico Hofmann über seinen Sat 1-Zweiteiler "Die Grenze", das soziale Gefälle in Deutschland und Klientel-Politik. Der 50-Jährige produzierte unter anderem „Der Tunnel“, „Dresden“, „Die Sturmflut“ und „Das Wunder von Berlin“.
AZ: Herr Hofmann, vor drei Jahren haben die Arbeiten zu „Die Grenze“ begonnen, haben Sie damals die Wirtschaftskrise vorausgeahnt?
NICO HOFMANN: Nein, wir hatten den Terroranschlag auf das World Trade Center vor Augen, der ja auch eine weltweite Wirtschaftskrise nach sich zog. Jetzt aber sind wir sukzessive von der Wirklichkeit überholt worden.
Heißt das, Sie haben die Bücher der Wirklichkeit anpassen müssen?
Ja, der Film zeigt ja nicht nur eine mögliche Spaltung Deutschlands, sondern thematisiert auch den Bürgerkrieg, stellt die Frage: Was passiert in diesem Land, wenn der Abstand zwischen Arm und Reich immer größer wird. Dieses Auseinanderdriften haben wir permanent nachjustieren müssen. Und müssten es weiterhin, darum schlägt auch die Guido-Westerwelle-Debatte so hohe Wellen.
Wie meinen Sie das?
Die Dimension der Westerwelle-Diskussion zeigt, wie empfindsam das Thema der sozialen Balance heute in Deutschland wahrgenommen wird. Wir leben in einem Land, das, was die soziale Balance anbelangt, auf sehr dünnem Eis wandelt. Dies ist ein Thema, das uns die nächsten Jahre beschäftigen wird.
Aber Sie haben doch die FDP gewählt, oder?
Ich habe mein ganzes Leben lang die SPD gewählt, bei der letzten Wahl aber habe ich tatsächlich zum ersten Mal die FDP gewählt. Ich bin von dieser momentanen Klientel-Politik der FDP aber maßlos enttäuscht. Wir können doch nicht nur Politik für Hoteliers und den Mittelstand machen. Mich interessiert in Zeiten wie diesen nur eine Politik, die auch sozial Schwächere einschließt.
Geht Ihnen die Krise tatsächlich auch persönlich nah? Sie sind doch gut im Geschäft.
Lebt man in einer Stadt wie Berlin, dann muss einem das soziale Gefälle nahe gehen, denn man wird täglich damit konfrontiert. Ich wäre auch bereit, mehr Steuern zu zahlen, wenn garantiert wäre, dass der Mehrwert bei den sozial Schwächeren ankommt.
Im Film soll das abgespaltene Mecklenburg-Vorpommern zum Billiglohnland der BRD werden. War das Ihre Idee?
Das ist eine These, die ich bei einem Mannheimer Wirtschaftsstammtisch gehört habe. Dort haben sie tatsächlich einige führende Unternehmer aus Baden-Württemberg vertreten.
„Die Grenze“ zeigt auch die extreme Machtlosigkeit der bürgerlichen Parteien. Besteht da nicht die Gefahr, Politikverdrossenheit zu schüren?
Politikverdrossenheit ist das zentrale Thema in Deutschland überhaupt. Die heutige Politik nimmt die Menschen über weite Teile einfach nicht mit. Warum standen denn damals plötzlich 200000 Menschen in Berlin auf der Straße bei Barack Obama? Weil da endlich mal einer war, der Politik so vermittelt, dass man emotional angefasst war. Bei Guido Westerwelle kommt alles didaktisch daher. Mir fehlt die Sinnlichkeit, die emotionale Nachvollziehbarkeit der Politik. Wir zeigen in „Die Grenze“, dass Politikverdrossenheit schnell in Radikalismus umschlagen kann. Das Thema des Films ist ja: Was passiert, wenn die bürgerlichen Parteien ihre Macht verlieren? Man muss die Politik, die man macht, für den Wähler verständlich machen. Politik ist aber nach wie vor ein unglaublicher Eitelkeitszirkus, wenn diese Eitelkeit nicht im Sinne der Sache durchbrochen wird, werden wir in diesem Land immer ein Problem haben.
Welche Reaktion erhoffen Sie sich also von der Ausstrahlung?
Ich will die Leute wachrütteln. Es geht mir nicht um die Provokation, wie manche behaupten. Ich hätte gerne eine Debatte darüber, was in unserem Land passieren könnte, wenn das soziale Gleichgewicht aus den Fugen gerät und eine politische Radikalisierung stattfindet. Das ist mein zentrales Thema, und da ist mir durchaus auch das Mittel der Zuspitzung recht.
Interview: Angelika Kahl
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