Nicht nur Rammstein: Auch diese Luftschloss-Spektakel scheiterten

Neunzig Lastwagen sollten das riesige Freilichtbühnenbild von Manfred Waba transportieren. Ungefähr 500 Statisten und 150 Chorsänger sollten aufgeboten werden, dazu ein 90-köpfiges Orchester und 90 Tänzer. Geplant waren Aufführungen in der Gelsenkirchener Veltins-Arena, dem Hamburger Volksparkstadion und am 5. August 2017 auch im Münchner Olympiastadion.
Doch die von Placido Domingo dirigierte "Aida" hat es nie gegeben. Sie wurde wegen "technischer Probleme" erst um ein Jahr verschoben. Dann ging der Veranstalter in Insolvenz, ein zweiter wollte übernehmen. Das Gerücht, Domingo habe bereits im Vorfeld einen niedrigen siebenstelligen Betrag kassiert, wurde weder bestätigt noch dementiert. Ob frühzeitige Kartenkäufer jemals ihr Geld zurückbekamen, ist unsicher: Wie es scheint, eher nicht.

"Marat" - die Mutter aller Münchner Groß-Pleiten
Die "größte Oper der Welt", eine vom Filmregisseur Zhang Yimou inszenierte Produktion von Puccinis "Turandot" ging 2005 mit eher mittelmäßigen Sängern reibungslos über die Bühne des Olympiastadions. Von einer Pleite ist zwar nichts bekannt, doch die damals groß angekündigte Wiederholung des Spektakels fand nie statt.
Die Mutter aller Münchner Groß-Pleiten ist die Oper "Marat" von Walter Haupt. Sie sollte 1989 zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution Zuschauern auf dem Königsplatz gespielt werden. Der war nicht einmal abgesperrt, und so sollen sich statt der erwarteten 40.000 Besucher 100.000 Neugierige zu der vom Kulturreferat mit einer Privatfirma veranstalteten Aufführung gedrängt haben, die dann abgebrochen werden musste.
Nach diesem Chaos galt der Königsplatz für einige Jahre wegen des hohen Risikos als nicht bespielbar. Dann kam Franz Abraham. Er brachte 1995 das legendär verregnete "Carmina burana"-Spektakel auf den Königsplatz, das danach erfolgreich durch die ganze Welt tourte. Später organisierte Abraham vor den Propyläen Frischluftkonzerte mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Lorin Maazel, ehe er - aus seiner Sicht - durch das von einem anderen privaten Veranstalter im städtischen Auftrag durchgeführte "Klassik am Odeonsplatz" ausgetrickst wurde und in Insolvenz ging.
Später brachte Abraham ein weltweites "Ben Hur"-Spektakel mit einem Pferderennen in großen Hallen heraus. Die Schauspieler sprachen lateinisch und aramäisch, ein Erzähler führte in der jeweiligen Landessprache durch die Handlung. 400 Darsteller und etwa 100 Tiere sollten mitspielen. Angeblich wurden fast acht Millionen Euro in die Vorbereitung gesteckt, für die der Veranstalter nach eigenen Angaben aus 80 Quellen Geld gepumpt haben soll.
"Magnifico" - die Zuschauer blieben aus
Auf die Premiere in London folgten Gastspiele in Rom und Zürich. Doch der von Abraham erträumte Riesenerfolg bei den strenggläubigen Pferdeliebhabern im Bible Belt des amerikanischen Südostens blieb eine Fantasie. Abraham ging in Insolvenz und das Wagenrennen in der Münchner Olympiahalle und der Arena auf Schalke musste entfallen.
Auch andere Veranstalter scheiterten mit Pferden. 2011 kam unter André Hellers Beteiligung die Show "Magnifico" mit den angeblich 150 weltbesten Artisten auf der größten Theaterbühne in der größten Zeltlandschaft der Welt heraus. Die Vorbereitungen sollen 14 Millionen Euro gekostet haben. Die Show war tatsächlich nicht schlecht, kam aber beim Publikum nicht an. Heller verabschiedete sich diskret und statt einer großen Deutschlandtournee war bereits an der ersten Station auf einer Brache in Riem wieder Schluss.

Doch bald folgte in München der nächste, noch gewaltigere Versuch: 2017 entstand in Fröttmaning ein "Showpalast" für Pferde. Zwei Jahre später war die Show insolvent, etwa 150 Mitarbeiter wurden entlassen. Zuletzt tagte hin und wieder der Stadtrat unter Corona-Bedingungen in der Halle, spätestens 2028 soll der Bau einem Betriebshof für Busse und Trambahnen weichen.
Grob gesprochen lässt man resümieren: Es gibt eine Menge kultureller riesiger Freiluftshows mit längerer Kontinuität, etwa "Klassik am Odeonsplatz" oder "Oper für alle". Die ruhen sämtlich auf der sicheren Basis öffentlich finanzierter Theater und Orchester. Auch ein zuverlässiger, am Ort ansässiger Sponsor kann sich als hilfreich erweisen.
Privat finanzierte Großspektakel müssen nicht scheitern, wie die Konzerte von Anna Netrebko oder Anne-Sophie Mutter am Königsplatz bewiesen haben. Dennoch sind sie - wenn es wie reine Pop- oder Klassikkonzerte geht - mit enormen Risiken behaftet: Ein überschwemmter Platz, kostspielige Auflagen der Behörden oder schlicht ein mieser Kartenverkauf können die Pleite bedeuten. Und die kommt öfter vor, als es das Kurzzeitgedächtnis der Branche suggeriert.