Nicht mal Partisanen kommen durch
Vom Kulturreferat bewilligt, vom Stadtrat gefördert und von der MVG abgelehnt: Posse um eine Doku-Oper zum Olympia-Attentat.
Wer in der U-Bahn bei einem lässlichen Vergehen erwischt wird, sollte demütig bleiben und keinesfalls aufmucken. Sonst wird’s teuer. Und wenn der Kontrolleur sächselt, sollte man Anspielungen auf die DDR-Grenze tunlichst lassen.
Ruhe ist die erste Bürgerpflicht
Dieses Grundgesetz im Umgang mit Verkehrsgesellschaften ist zu den Hörspielkünstlern Andreas Ammer und Martin Getschmann („Console“) nicht durchgedrungen. 2007 beteiligten sie sich an der Ausschreibung „Kunst hören, Musik sehen“ des Kulturreferats. Ihr Konzept „Das Massaker unserer Stadt“ wurde mit Ratsbeschluss vom 13. Dezember 2007 durch 40000 Euro gefördert. Elf Stationen der U-Bahn sollten zu Ehren der elf israelischen Opfer des Olympia-Anschlags von 1972 umbenannt, eine Hörspiel-Oper mit O-Tönen in den Wagen live aufgeführt und über Lautsprecher verbreitet werden.
Über den Sinn solcher Zwangskunstbeglückung der „Musik im öffentlichen Raum“ von weiland Lydia Hartl wollen wir hier nicht nachsinnen. Aber es ist schon merkwürdig, dass der Stadtrat kunstfröhlich Geld abnickt, ohne vorher nachzudenken, ob die Idee überhaupt mit dem Kulturbegriff der MVG und ihrer Hausordnung vereinbar ist.
Nur Vivaldi darf tröten
Nach der erwartbaren Ablehnung aus sicherheitstechnischen Gründen schlug Ammer eine Partisanen-Lösung mit fünf live in der U-Bahn aufspielenden Musikern vor. Er wagte dabei eine Anspielung auf die chinesische Meinungsfreiheit. Da erwischte er die MVG aber auf dem falschen Fuß und kassierte eine weitere Ablehnung. Höchstens im Sperrengeschoss sei Oper genehmigungsfähig, wenn Ammer brav bleibe und komische Vergleiche unterlasse.
Ob die 40000 Euro nun weg sind, wird uns das Kulturreferat erst heute mitteilen. Bis auf weiteres trötet neben Stations-Ansagen also nur zweiklassiger Vivaldi am Odeonsplatz aus MVG-Lautsprechern. Und der Autor dieser Zeilen fährt trotz Monatskarte in den nächsten Tagen vorsichtshalber Fahrrad.
Robert Braunmüller