Nicht alles ist erleuchtet

Götter, Blender und Genieblitze: Die große Schau über das Geistige im Haus der Kunst.
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Götter, Blender und Genieblitze: Die große Schau über das Geistige im Haus der Kunst.

Dem „Geistigen in der Kunst“ eine Ausstellung zu widmen, ist eine monströse Idee: Da passt fast jeder Künstler – und sei es, weil er sich über das Transzendente lustig macht.

Aber natürlich darf in der Mammut-Schau „Spuren des Geistigen“, ab morgen im Haus der Kunst, Kandinsky als Übervater nicht fehlen. Und so ist seine Schrift in der Originalausgabe von 1912 mit Widmung an Klee sowie die „Komposition VI“ aus St. Petersburg hier zu sehen. Ebenso unverzichtbar sind Malewitsch und sein „Schwarzes Quadrat“, der Ober-Schamane Beuys mit seinem Kojoten-Film und Cage mit ein paar Zen-Zeichnungen. Aber in der Themen-Ausstellung, einer Übernahme des Pariser Centre Pompidou, geht das Geistige und Transzendente mit dem Religiösen, Spirituellen, Wahnhaften und wahrhaft oder angeblich Erleuchteten arg durcheinander.

Tote Fliegen und ein Frosch

Es gibt allerlei Höllenstürze, und sogar Damien Hirst, dessen Werke plakativ wie Werbung sind, wird zum Bedeutungsträger. Dass gleich zu Beginn sein Triptychon aus toten Fliegen in Kunstharz den Besucher begrüßt, ist wohl seiner aktuellen Medienpräsenz geschuldet. „Vergib mir Vater, ich habe gesündigt“ ist purer Zynismus. Doch in Verbindung mit Munchs Nietzsche-Bildnis nebenan, das „Gott ist tot“ verkünden soll und Goyas „Schrecken des Krieges“, die offenbaren, dass da nichts als der Tod ist, wirkt selbst der Haudrauf Hirst hellsichtig. Aber auch Kippenbergers „Frosch am Kreuz“, ein grotesker Papst-Erregungsfaktor, Cattelans gekreuzigte Frau und das Spielzeug-Nazi-Blutbad der Chapman-Brüder lassen besser das Plastisch-Drastische als Geistiges erkennen.

Bewußtseinserweiterung

Ausgangspunkt aller künstlerischen Auseinandersetzung ist das Ende – des Lebens wie des Glaubens. Es folgen Kapitel wie „Der neue Mensch“ bei Boccioni, Klee und Heckel, der Einfluss „primitiver“ religiöser Riten und Requsiten, spirituelle Ekstase bei Dan Graham („Rock my Religion“), Picasso, Masson, die „Kosmische Offenbarung“ der Hilma af Klimt – hochinteressant und durchgeknallt – sowie Bewusstseinserweiterung (Michaux’ Meskalin-Bilder) und der Synkretismus, etwa in Schlingensiefs „Abendmahl“ (2007), bei dem neun Männer inklusive Mohammed gemeinsam speisen und fernsehen.

Aber auch sakrale Kunst im Wortsinn ist zu sehen, ein Beuys-Osterkreuz, ein Matisse-Entwurf für Kathedralfenster. Und was diese Schau in jedem Fall spannend macht, sind die vielen möglichen Nuancen, die zwischen Gottessehnsucht und -lästerung liegen.

Roberta De Righi

Bis 11. Januar, täglich 10 bis 20, Do bis 22 Uhr, Katalog 25 Euro

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