Neuer Pomp und Zarenglanz im Bolschoi Theater
Vorhang auf für das weltberühmte Bolschoi Theater: Mit einer Gala öffnet Russlands Nationaltheater in Moskau am Freitag (28. Oktober) nach etwa sechsjähriger Rundumsanierung seine historische Opern- und Ballettbühne.
Moskau - Der ehemals einsturzgefährdete Musentempel ist gerettet und von sowjetischer Symbolik und Bausünden befreit. Opernstars wie Plácido Domingo und Angela Gheorghiu übergeben das im Stil der Zarenzeiten erneuerte Haus von 1856 der Weltöffentlichkeit. Für den historischen Klang haben deutsche Ingenieure gesorgt.
Pomp, Glanz und Festtagslaune in einem der schönsten und größten Theater der Welt lassen auch den Baupfusch, die Korruption und die Machtspiele der vergangenen Jahre vergessen. Wegen der Probleme hatte sich die Neueröffnung immer wieder hinausgezögert. Mit drei Jahren Verspätung schlägt das kulturelle Herz Russlands aber nun wieder am Moskauer Theaterplatz. Die Kosten für die Rettung des Bolschoi liegen nach offiziellen Angaben bei umgerechnet rund einer halben Milliarde Euro. Inoffiziell ist die Rede von einem Milliardenbetrag.
"Sogar die Kulturexperten von der Unesco haben uns Bestnoten für diese einmalige Sanierungsleistung gegeben", betont Bolschoi-Generaldirektor Anatoli Iksanow. Die acht kolossalen Säulen und der Musengott Apollon auf einem Pferdegespann künden in Blickweite zum Kreml von dem Großen Theater, wie das Bolschoi in deutscher Übersetzung heißt.
In den vergangenen Jahren war das Ensemble immer wieder auf Welttournee. Das Publikum musste sich mit einem nebenan errichteten neuen Bolschoi-Theater begnügen. Das kleinere Haus wird zwar auch weiter bespielt. Kultaufführungen wie Tschaikowskys Ballett "Schwanensee", das am Bolschoi 1877 uraufgeführt wurde, ziehen aber wieder auf die historische Bühne zurück.
Die Eröffnungsgala widmet Bolschoi-Regisseur Dmitri Tschernjakow ganz der russischen Kunst - eine "Herausforderung für Domingo und viele andere Gäste, die sonst nie Russisch singen", sagt er. Das Bolschoi mit seinen mehr als 2000 Mitarbeitern werde das ganze Spektrum abdecken: Orchester- und Opernwerke und eben Ballett.
Die Tickets für die historische Bühne sind schon auf Wochen im Voraus vergriffen. Bis zu 10 000 Rubel - etwa 250 Euro - kostet eine Karte, je nach Angebot und Nachfrage, wie Intendant Iksanow sagt. "So kämpfen wir gegen Spekulanten", erklärt er. Iksanow meint damit Moskaus Ticketmafia, die Karten stapelweise aufkauft und dann zu Wucherpreisen auf dem Schwarzmarkt verhökert.
"Wir haben jedoch pro Vorstellung ein Kontingent von Tickets für 100 Rubel für diejenigen, die sich das nicht leisten können", betont Iksanow. Der Preis von rund 2,50 Euro ist eher symbolisch - auf dem 100-Rubel-Schein ist das Bolschoi Theater abgebildet.
Überall im sanierten Haus wirft Blattgold das warm gleißende Licht von prunkvollen Lüstern und Wandstrahlern zurück. 4,5 Kilogramm Gold sind hier verarbeitet. Es ist, als ob die funkelnde Kraft des Goldes auf den Stuck-Arabesken im Zuschauersaal die Sinne blendet. Eine Mischung aus Renaissance mit byzantinischen Stilelementen. Nur die himbeerroten Stoffe der Holzstühle und der Logen beruhigen die Augen.
"Alles hier ist bis ins Detail durchdacht", erklärt Michail Sidorow vom Generalunternehmer Summa Group in Moskau. "Vor allem auch mit Blick auf die ursprüngliche Akustik. Sogar die Stoffe der Sitze sind extra so gewählt, damit alles klingt wie im 19. Jahrhundert." Vor allem aber ist der alte Betonboden durch Holzpaneele ersetzt.
Statt der ursprünglich gut 2000 Sitze gibt es nur noch 1700 Stühle - für mehr Komfort und einen besseren Klang. Im vergrößerten Orchestergraben finden nun bis zu 130 Musiker Platz. Damit sind große Inszenierungen wie etwa von Richard Wagners Opern möglich.
Experten des Münchner Unternehmens BBM-Müller haben den Bau der ton- und videotechnischen Anlagen überwacht, wie Sidorow sagt. "Sie haben gezielt Schall und Schwingungen reduziert, um den optimalen Klang zu erzielen." Der russische Staat hatte die Aufträge für Bühnen-, Theater- und Medientechnik nach Deutschland an die Firma Bosch Rexroth AG vergeben.
Rund 3500 Arbeiter und Restauratoren retteten in den vergangenen Jahren im Dreischichtsystem das Bolschoi vor dem Verfall. Das Theater zählt zu den Meisterwerken des russischen Klassizismus.
Ballettchef Sergej Filin schwärmt nach den ersten Proben vom neuen Bühnenboden, der die Tänzer mehr schonen soll. Der 40-Jährige verspricht Ballett von Weltklasse. Die "museal-klassischen" Aufführungen, die viel Wert auf synchronen Spitzentanz legen, seien die "Brillanten" des Traditionshauses. Aber auch zeitgenössisches Ballett werde hier seinen Platz haben. Viele Bolschoi-Inszenierungen sollen künftig auch auf deutsche Kinoleinwände übertragen werden.
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