Neuer Konzertsaal - Faltlhausers feine Fantasie
Die Zeit arbeitet gegen den Umbau des Marstalls zu einem Konzertsaal. Der Ex-Finanzminister geht trotzdem mit einem Verein in die Offensive.
Wunderbare Akustik“ schmeichelt der Geiger Nigel Kennedy jüngst der Gasteig-Philharmonie. Von den seitlichen Plätzen kassierte er höhnisches Gelächter. Wer dort nur den halben Klang mitbekommt, sehnt sich nach dem Konzertsaal im Marstall, der vor neun Monaten zum Greifen nah schien und Optimisten vom Baubeginn für 2009 schwärmen ließ.
Damals wurden Ergebnisse eines Ideenwettbewerbs für die Zukunft des Klenze-Baus hinter der Residenz vorgestellt. Aber das Projekt liegt auf Eis. Die Staatsregierung wird sich hüten, nach dem Transrapid-Desaster und den Landesbank-Verlusten das flache Land mit einem neuen Münchner Prestigeprojekt zu verschrecken, auch wenn die Kosten im Vergleich zu den mit Schrottimmoblien verjuxten Milliarden wie Peanuts erscheinen.
Und so arbeitet die Zeit gegen eine akustisch ideale Heimstatt für das zwischen Herkulessaal und Gasteig vagabundierende BR-Symphonieorchester. Doch Kurt Faltlhauser glaubt: „Der Konzertsaal im Marstall wird kommen“. Um seiner Vision auf die Sprünge zu helfen, hat er mit Herzogin Anna in Bayern, Messechef Manfred Wutzlhofer, Andreas Wölfer von der Hypovereinsbank und dem Veranstalter Helmut Pauli den Verein „Konzertsaal Marstall e.V.“ gegründet (Tel.54885788). Er soll in der staaden Zeit vor der Wahl das Projekt am Köcheln halten.
Optimismus saugt der Ex-Finanzminister aus den fünf privaten Millionen Euro für die Renovierung des Cuvilliéstheaters. Rund 20 Millionen will Falthauser für den Konzertsaal einwerben. Angesichts der Hamburger, die drei Mal so viel für ihre neue Elbphilharmonie spendeten, scheint es keine pure Milchmädchenrechnung, dass eine solche Anschubfinanzierung ein neues Kabinett ab Herbst bewegen könnte, weitere 70 Millionen locker zu machen.
Und wer zahlt den Rest? Das siegreiche Berliner Architekturbüro Schultes Frank schätzt die Umbau-Kosten auf 130 Millionen. Weil die Stadt noch immer ihre Philharmonie abstottert, ist bei Christian Ude nichts zu holen. Faltlhauser glaubt nach einem Gespräch mit dem BR-Intendanten Thomas Gruber, der Sender könne doch mehr als das bisher angekündigte Scherflein von 10 Millionen Euro „kumulierter Mietvorauszahlung“ beisteuern.
Ob da die BR-Gremien mitspielen? Die Frage, ob mit Rundfunkgebühren ein Konzertsaal gebaut werden darf, gilt als umstritten. Und übermäßig geschickt wirkt es nicht, dass in Falthausers Verein ein natürlicher Verbündeter fehlt: Ulf Schirmers Rundfunkorchester, das in der nächsten Saison vom Gasteig ins Prinzregententheater umzieht.
Umgebaut wird der bis auf Weiteres vom Staatsschauspiel für Werkstätten und eine Studiobühne genutzte Marstall in naher Zukunft auf jeden Fall. Aber ist der Konzertsaal ohne Alternative, wie Faltlhauser meint? Zu den Festspielen 2009 belagert Staatsopernchef Bachler das Gebäude mit einem Experimente-Pavillon. Martin Kušej, der 2011 das Staatsschauspiel übernimmt, denkt über große Projekte nach, die besser in einen multifunktionalen Raum passen als in die Guckkästen von Residenz- und Cuvilliéstheater.
Es wird schwer, gegen Bachlers und Kušejs Einheitsfront einen weitgehend vom Staat finanzierten Konzertsaal für das BR-Symphonieorchester durchzusetzen. Ein multifunktionales Veranstaltungszentrum wäre in den Folgekosten überschaubarer als ein spezialisierter Klassiktempel, den die Architekten auf der engen Brachfläche hinter dem zum Foyer degradierten Klenze-Bau errichten wollen.
Wer unter der Gasteig-Akustik und dem Aussegnungshallen-Flair des Herkulessaals leidet, kann Falthausers Ideen die Sympathie nicht versagen. Mit etwas Fantasie und gutem Willen wären alle Marstall-Interessen unter einen Hut zu bringen. Und als Stachel im städtischen Fleisch bleibt Faltlhausers Initiative eine stete Mahnung, nach automatischen Herrentoilettentüren im städtischen Kulturzentrum auch in die Akustik zu investieren.
Robert Braunmüller