Neue Projekte zwischen Gott und Teufel
Eigenwillig: Stephan Huber bekommt den Kunstpreis der Stadt München
Ich kann nicht malen. Ich will auch gar nicht malen. Malerei ist hirnlos, zweidimensional, unkörperlich.“ Man darf nicht alles zu wörtlich nehmen, was Stephan Huber sagt. Im Eifer des Gefechts neigt der Mann mit dem energischen grauen Cäsarenschädel zur plakativen Übertreibung und schmeißt gern kantige Sätze in den Raum. „Ich hatte halt schon immer Lust auf Skulpturen, die haben einen viel stärkeren Bezug zum Körper“, wirft er abgemildert hinterher. Die Bildwerke, mit denen der 1952 im Allgäu geborene, in München lebende Huber den Gipfel der Kunst-Popularität erreichte, sind die Alpen en miniature. Seine schneebedeckten Felszacken stehen nicht nur im Riemer Messe-See, sondern in Museen weltweit. Huber: „Diese Berge funktionieren ja zwischen Eindhoven und New York als romantische Pathosformeln, das war mir anfangs gar nicht bewusst.“ Aber auch, wenn er zuletzt noch für Montblanc einen (teuren) Fels nach Peking verschob, hat er nun genug von der Gipfelkunst. „Es gibt 60 Berge von mir, das reicht.“ Und: „Aufträge für Kunst am Bau und im öffentlichen Raum lehne ich inzwischen auch ab. Die ganze Stadt ist zumöbliert“, poltert Stephan Huber.
Am 8. Juli bekommt er den Kunstpreis der Stadt München verliehen, den Designpreis erhält Rolf Müller. Mit Huber wird ein Künstler geehrt, der nicht nur mit Werken im öffentlichen Raum und im Museum, sondern auch durch seine Tätigkeit als Professor an der Akademie präsent ist.
Auf die Berge, die er „gottgleich“ noch für die Kunst idealisierte, darf man ihn keinesfalls reduzieren: Huber nahm 1981/82 Franz-Josef Strauß beim Wort, der Kritiker als „Schmeißfliegen und Ratten“ schmähte. Er stellte ganze Räume auf den Kopf („Ich liebe dich“, 1983), errichtete einen „Raum des Vaters“ mit vielen verschlossenen Türen und einem riesigen zerbrochenen Teller (1984), fürs Geld einen Altar (1988). Hubers Kunst wirkt in erster Linie erzählerisch, fast theatralisch bühnenhaft; manchmal sentimental, oft politisch-pointiert und häufig hat er Biografisches eingewoben.
„Schon mit 16 wollte ich unbedingt Künstler werden.“ Als er dann Ende der 60er Jahre an der Akademie studierte, konnte er sich nicht vorstellen, dass er auch einmal dort lehren würde. Huber: „Ich habe Kunsterziehung bis zum ersten Staatsexamen studiert. Da war ich korrupt, denn sonst hätte mir mein Vater, das Studium nicht bezahlt. Aber ich wollte nie Kunsterzieher werden, dafür bin ich zu egoistisch, ich wollte immer eine eigene Welt schaffen und keine fertige Welt rezipieren.“ Heute ist Huber Akademielehrer: „Es war Zufall, dass ich Professor wurde. 2004 wurde ich gefragt, ob ich ein Semester für Monika Bonvicini übernehmen könnte, die kurzfristig abgesprungen ist.
Dann bin ich geblieben, weil es gut geht und großen Spaß macht.“
Seinen Studenten versucht Huber auch Orientierungshilfe auf dem Kunstmarkt mit- zugeben, etwa, wie zuletzt, auf Exkursionen nach New York, wohin er selbst nach dem Studium erstmals durch ein Stipendium kam. Und auch wenn ihm selbst der Kunstmarkt „zuwider“ ist. „Ich bin jetzt 56 und ich habe diesen Malerei-Hype schon so oft mitgekriegt.“ Und wenn der nächste Hype seine Berge versetzen würde? „Bildhauer werden nicht gehypt, aus ganz pragmatischen Gründen: Sie brauchen viel zuviel Platz.“
Um seine Studenten darüber hinaus auf die harte Wirklichkeit vorzubereiten, empfiehlt er ihnen Adornos „Minima Moralia“: „Demnach sollte man sich, bevor man Kunst macht, fragen, ob es um eine mitteilenswerte Erfahrung geht, und sich unbedingt um Unabhängigkeit und Freiheit im Ausdruck bemühen.“ Gilt das Erstere für den Künstler oder Betrachter? Die Aussage müsse „schon eine gewisse Allgemeingültigkeit haben, etwas Archetypisches“, fordert Huber. So wie das Motiv des Hutes, das in seinen Arbeiten auftaucht. Sein Vater hatte eine Hutfabrik. So wurde der Hut zur Metapher des Elternhauses, er steht für Geborgenheit und Beschränkung.
Immer wieder findet man in seinem Werk Ambivalenz ebenso wie starke Gegensätze. Momentan trifft sich Stephan Huber quasi mit Gott und Teufel – in zwei höchst konträren Projekten. Ersteres ist eine Rauminstallation in der Theatinerkirche. Und für die Hamburger Kunsthalle beschäftigt er sich mit der „Negativ-Ikone“ Charles Manson. Huber: „Das war das Ende von ,Love & Peace’. Das Düstere daran interessiert mich.“ Das passende Medium für die Auseinandersetzung mit dem noch inhaftierten teuflischen Guru und Anstifter zum vielfachen Mord ist das für Huber das Kasperletheater.
Schon bei seiner letzten Ausstellung in der Galerie Six Friedrich im März baute Huber ein Kasperletheater und trat außerdem als Bauchredner mit Stephan-Huber-Puppe auf. „Kasperle geht auf Zeitreise, und weil er denkt, dass er beim Knopf ,Love & Peace’ eine Frau findet, drückt er ihn – und landet bei Manson“, so Huber. „Das Versponnene, Anarchische, Subkulturelle“ begeistert ihn an den Figuren, die sich Graf Pocci, im wahren Leben ein braver Beamter, in seiner Freizeit ausgedacht hat. „Ich hasse die Abstraktion. Erst die Postmoderne hat die Renaissance des Geschichtenerzählens gebracht.“ Noch so ein Huber-Satz, monumental, wie in Granit gemeißelt. Und man weiß nicht mehr, wer da spricht: Huber – oder sein Alter Ego, die Bauchrednerpuppe.
Roberta De Righi