Neue Gesichter tun der Bühne gut

Unruhe am Gärtnerplatztheater: Der künftige Intendant Josef Ernst Köpplinger über die Gründe, warum er während der Umbauphase des Hauses auf ein festes Sänger-Ensemble verzichten wird
Robert Braunmüller |
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Als Kunstminister Wolfgang Heubisch vor gut einer Woche bei der Aids-Tanzgala im Gärtnerplatztheater ein Grußwort sprach, hagelte es Proteste aus dem Publikum. Denn der von ihm zum Nachfolger für Ulrich Peters gewonnene Intendant Josef Ernst Köpplinger beginnt mit einem harten Schnitt: Er verzichtet während der Umbauphase auf ein festes Solisten-Ensemble. Es bleiben nur jene acht Unkündbaren, die schon länger als 15 Jahre engagiert sind.

AZ: Herr Köpplinger, das Ensemble ist ein Markenzeichen des Hauses. Warum wollen Sie es abschaffen?

JOSEF ERNST KÖPPLINGER: Der Verzicht auf ein festes Ensemble ist meine einzige Chance, während der zweieinhalbjährigen Umbauphase auch etwas auf der Bühne spielen zu können. Eigentlich wollte ich sieben oder acht Solisten übernehmen, aber es geht sich finanziell einfach nicht aus.

Wieso haben Sie ein Loch in der Kasse?

Rund 80 Prozent des Etats sind Fixkosten. Das Gärtnerplatztheater spielt derzeit etwa 270 Vorstellungen pro Saison. Während der Umbauphase werden in den Ausweichspielstätten nur 160 Vorstellungen möglich sein. Wir werden auf ein Repertoire verzichten und immer nur eine Produktion zeigen. Das bedeutet eine Minderung der Einnahmen um rund 2 Millionen Euro. Die fehlen mir nun im Gesamtbudget.

Ist die Auflösung des Ensembles nicht der Anfang vom Ende am Gärtnerplatz?

Der Freistaat hat sich entschlossen, das Haus zu sanieren. Also wird man es in drei oder fünf Jahren kaum totsparen wollen. Allerdings befindet sich mein Etat bereits hart am Anschlag. Aber ich verstehe unsere Reise durch verschiedene Spielstätten in der Stadt als Chance, neue Zuschauer zu gewinnen.

Ist ein Ensemble nicht das Gesicht des Theaters?

Jeder Einzelne ist es, der dort arbeitet, vom Sänger über den Orchestermusiker bis hin zu Tontechnikern, Garderobieren und Reinigungsfrauen. Ich habe den Betroffenen in Einzelgesprächen die Situation erklärt, aber auch informell gefragt, ob sie als Gast auftreten möchten. Viele wollen mit mir weiter arbeiten. Und Ulrich Peters wird gewiss auch einige Künstler mitnehmen, wenn er als Generalintendant nach Münster wechselt.

Ein Sänger hat mir vorgerechnet, dass Sie ohne Ensemble gar nichts einsparen: Ein Solist, der 2000 Euro monatlich als Ensemblemitglied verdient, bekommt, als Gast den gleichen Betrag pro Abend.

Ich rede nicht öffentlich über Gagen. Daher nur soviel: Diese Rechnung kombiniert eine äußerst niedrige Durchschnittsgage mit einer hohen Abendgage. Es wäre unverantwortlich, Künstler zu engagieren und ihnen dann keine angemessenen Rollen anbieten zu können. Ich kann doch in der Umbauphase kein Ensemble verpflichten und dann nur vielleicht drei Produktionen herausbringen. Und nach der Umbauphase wird es wieder ein Ensemble geben.

Aber in Klagenfurt haben Sie auch keins. Das macht die Gekündigten misstrauisch.

Die dortige Situation ist nicht mit München vergleichbar. Die Stadt ist klein. Wir spielen immer nur wenige Produktionen in Serie. Als mein Vorgänger Dietmar Pflegerl das Ensemble aufgelöst hat, gab es auch beträchtliche Unruhe. Dafür konnte ich Künstler wie Helmut Lohner oder Gisela Ehrensperger engagieren, Edith Haller hat hier ihre erste Ariadne gesungen, die junge Mezzosopranistin Bernadett Wiedemann schaffte als Azucena von Klagenfurt den Sprung an die New Yorker Met.

Ein Leser hat mir geschrieben, zukünftig nicht mehr ins Gärtnerplatztheater zu gehen, weil ihn Ihre soziale Kälte abstößt. Was entgegnen Sie ihm?

Ich verstehe seinen Unmut. Das Publikum hat immer recht. Aber ich gebe zu bedenken: Neue Gesichter tun dem Theater gut. Viele Sänger, die Ihr Leser schätzt, haben beim Intendantenwechsel von Klaus Schultz auf Ulrich Peters den Platz von jemand anders eingenommen, die viele Zuschauer damals genauso mochten.

Robert Braunmüller

 

Intendanten und ihre Leute

Nach etwa zehn Jahren beginnt sich fast jeder Intendant zu wiederholen. Dann ist die Zeit reif für einen Wechsel. Nicht überall erfolgt er so geräuschlos wie bei den Kammerspielen, wo Johan Simons 2010 fast das ganze Team der Baumbauer-Ära übernahm.

Als Dieter Dorn 2001 von den Kammerspielen ans Staatsschauspiel wechselte, brachte er das Ensemble von der anderen Straßenseite mit. Sein Nachfolger Martin Kušej behält neun Ensemblemitglieder seines Vorgängers und baut das gesamte Repertoire ab Oktober neu auf.

Auch Köpplingers Vorgänger Ulrich Peters brachte eine Reihe Künstler aus Augsburg an den Gärtnerplatz mit.

Schauspieler, Sänger, Dirigenten, Tänzer werden befristet engagiert. Bis zum 15. Oktober muss mitgeteilt werden, ob der Vertrag für die folgende Spielzeit verlängert wird. Nach 15 Jahren kann keine Nichtverlängerung mehr ausgesprochen werden. Chor, Orchester, Technik und Mitarbeiter der Werkstätten sind unbefristet angestellt.

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