Neue Ausstellung im NS-Dokuzentrum: Von München aus in den Tod

Vor 80 Jahren brachten Todestransporte die Münchner Juden nach Litauen
von  Roberta De Righi
Trügerische Idylle: Unter dem in den Himmel gereckten Mahnmal in Kaunas befindet sich ein Massengrab gigantischen Ausmaßes.
Trügerische Idylle: Unter dem in den Himmel gereckten Mahnmal in Kaunas befindet sich ein Massengrab gigantischen Ausmaßes. © Rainer Viertlböck

Endstation Kaunas: Es war eine grausame Fahrt in den Tod, die am 20. November 1941 am Güterbahnhof Milbertshofen begann. Von hier aus fuhr der erste Zug mit knapp tausend Frauen, Männern und Kindern nach Litauen - wo diese fünf Tage später in den Festungsgräben des Fort IX in Kaunas unter Leitung des SS-Standartenführers Karl Jäger erschossen wurden.

Ausstellug im NS-Dokuzentrum

80 Jahre nach der ersten Deportation erinnert nun die Landeshauptstadt mit einer Reihe von Veranstaltungen an jene, die zwischen 1941 und 1945 verschleppt und ermordet wurden.

Eine davon war Ingeborg Gutmann. Sie war keine 18 Jahre alt, als sie ermordet wurde. Die Präsentation "Deportationen aus München. Lebensgeschichten und letzte Bilder" führt Einzelschicksale und die Umstände ihrer Verschleppung vor Augen. Münchner Schülerinnen und Schülern erarbeiteten sie mit dem Stadtarchiv. Das NS-Dokumentationszentrum zeigt sie, leider ein wenig versteckt, in der Bibliothek.

Auch das Stadtmuseum erinnert

Oder die Künstlerin Maria Luiko, an sie erinnert das Stadtmuseum. 1904 in München als Marie Luise Kohn geboren, hatte sie ab 1923 an der Akademie studiert. Nach dem Ausschluss aus dem Reichsverband Bildender Künstler 1933 gründete sie das "Münchner Marionettentheater jüdischer Künstler" mit. Ihre ausdrucksstarken Theaterfiguren kann man in der Abteilung Puppentheater/Schaustellerei im Stadtmuseum und in der Sammlung online bewundern.

Luikos Ausreiseantrag nach Palästina wurde abgelehnt, 1939 die elterliche Wohnung zwangsversteigert. Gemeinsam mit ihrer Mutter Olga und ihrer Schwester Elisabeth starb sie am 25. November 1941 in Kaunas.

Berührende Fotos, bewegende Installationen

Eben dort begab sich Rainer Viertlböck auf Spurensuche. Für seine umfassende Foto-Recherche "Strukturen der Vernichtung" dokumentiert er in nüchternen Aufnahmen den Jetzt-Zustand der NS-Vernichtungslager und macht das unsichtbare Grauen der Vergangenheit eindrücklich spürbar.

Eine Sisyphus-Arbeit, die Viertlböck, der sein Geld als Architekturfotograf - u.a. für den im Mai verstorbenen Helmut Jahn - verdient, seit 2016 als freies Projekt verfolgt. Er reiste bereits kreuz und quer durch Deutschland und die einstigen "Ostgebiete", um das mörderische System der KZs inklusive der oft kaum bekannten und noch weniger gekennzeichneten Außenlager und Erschießungsstätten festzuhalten.

Eine Installation im Foyer des Jüdischen Museums zeigt zwei seiner Lichtbilder aus Kaunas. Die Großformate kann man auch von außen gut einsehen. Als Sockel dienen verwitterte Gleisschwellen - von der Isartalbahn nahe der Großhesselohe. Über diese Strecke fanden Ende April 1945 die letzten Deportationen aus München statt.

Die Außenaufnahme wirkt nur fast idyllisch: Eine Wiese, umrandet mit Bäumen, dahinter tut sich eine weite Landschaft auf. Ohne das in den Himmel gereckte Mahnmal, würde man nicht unbedingt ahnen, dass sich unter der Erde ein Massengrab gigantischen Ausmaßes befindet. Die Wiese befindet sich vor dem Fort IX; zwischen 1941 und 1944 wurden hier geschätzt 30.000 Menschen erschossen.

Darunter auch Rainer Viertlböcks Großvater und dessen beide Geschwister. Sie gehörten zu den Münchner Deportierten vom 20. November.

Der eigene familiäre Bezug stand allerdings nicht im Vordergrund, als er 2017 erstmals dorthin reiste. Vor Ort traf ihn diese Tatsache dann doch "mit unerwarteter Wucht", wie Viertlböck erst auf Nachfrage erklärt. Die eigene Familiengeschichte will er aus Respekt vor allen Opfern nicht in den Vordergrund rücken.
Den Anfang hatte das tausendfache Morden auf dem Gelände an der Knorr- und Troppauer Straße genommen. Hier standen die Baracken des "Judenlagers", wo die Nazis jüdische Münchner internierten, die sie aus ihren Wohnungen vertrieben hatten. Bis 25. August 1942 wurden vom nahen Güterbahnhof aus weitere 3400 Münchner Juden nach Piaski, Theresienstadt und Auschwitz deportiert, ehe das Sammellager nach Berg am Laim verlegt und in den Baracken BMW-Zwangsarbeiter untergebracht wurden.

Ein Bronze-Denkmal das einem Baum mit abgeschnittenen Ästen und dem siebenarmigen Leuchter ähnelt, vergegenwärtigt an der Ecke Troppauer/Knorrstraße 148 seit 1982 die Vergangenheit des Ortes. Am Samstag um 18.30 Uhr findet hier die zentrale Gedenkveranstaltung mit OB Dieter Reiter, Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde, Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm statt.


Gesamtprogramm unter www.deportiert-aus-muenchen.de; Das Jüdische Museum zeigt am 25.11. auf der Homepage Rainer Viertlböck Film zu "Kaunas 1941" im Stream: www.juedisches-museum-muenchen.de

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