Neuanfang beim Münchner Bach-Chor
Es wird interessant sein, den Münchener Bach-Chor in den nächsten Jahren zu beobachten. Seit 2005 war er unter der Ägide von Hansjörg Albrecht gestanden, der ein durchgehend hohes Niveau bewahrte - das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. Wie also klingt der Chor, nachdem Johanna Soller in dieser Saison die Künstlerische Leitung übernommen hat?
Überflüssig zu betonen, dass die Neue schlichtweg noch keine Zeit hatte für tiefgreifende Modifikationen. Die sind auch gar nicht nötig, weil der Münchener Bach-Chor sehr schön klingt. Die Soprane steigen leicht in die Höhe, Alt und Tenöre bilden eine weiche Mitte, die Bässe sind stark und gehen nicht in den Orchesterbässen der Münchner Symphoniker auf. Doch vielleicht kann man wenigstens den Beginn der Zukunft erahnen. Gerade im "Schicksalslied" von Johannes Brahms verbreitet Johanna Soller beim elysischen Eingang Ruhe, genießt die sich ausbreitende Harmonie, im Allegro scheucht sie Chor und Orchester nicht, sondern schildert das klippenreiche Menschenschicksal mit tragischer Größe. Das Fortissimo überwältigt durch Substanz, nicht durch Lautstärke.
Johanna Soller strahlt eine Souveränität aus, die sie sich teils als gefragte Chorleiterin (etwa für Zubin Mehta und Simon Rattle) erworben hat, teils als Gesamtleiterin einiger geglückter Produktionen, auch im Bereich des Musiktheaters. Die "Hebriden"-Ouvertüre von Felix Mendelssohn Bartholdy führt sie, vorausschauend disponierend, auf einen klaren Höhepunkt hin, im "Schicksalslied" kann Johanna Soller, die alle Einsätze gibt, auch die ein bisschen ausbüxenden Holzbläser elegant wieder einfangen. Von ihrer besten Seite zeigen sich denn auch die Münchner Symphoniker, deren Blech vor allem in den "Carmina Burana" von Carl Orff knackige Akzente setzt.
Von Orffs populärer Mittelalter-Kunstwelt kann man halten, was man will. Zugestehen muss man, dass der Chor, ergänzt vom Münchner Knabenchor, in seiner Gesamtheit die Beschwörungen sicht- und hörbar gerne deklamiert, übrigens mit hervorragender Textverständlichkeit, und somit auch das Publikum in der ausverkauften Isarphilharmonie mitreißt. Hut ab davor, wie die Solisten mit Orffs undankbarer Stimmführung umgehen: Daniel Ochoa macht sich die Bariton-Soli sogar szenisch zu Eigen, der Tenor Tobias Hunger klagt pittoresk als gebratener Schwan (keine Witze mit Namen!). Die Sopranistin Jasmin Delfs schließlich macht das hohe "d" zum Ereignis. Das kann man eigentlich von dem ganzen Konzert sagen. Es wird also mehr als interessant sein, die Entwicklung des Münchner Bach-Chores unter Johanna Soller zu verfolgen. Man kann sich auch darauf freuen.
17. Dezember, 19.30 Uhr, Isarphilharmonie: "Weihnachtsoratorium" von J.S. Bach. Karten unter Telefon 54 81 81 81 und www.muenchenticket.de.
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