Naiv gemaltes Heiligenbildchen

Vatikan-Propaganda: Eine schlampige Schau über Pius XII. kommt in die Münchner Karmeliterkirche an der Pacellistraße
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Vatikan-Propaganda: Eine schlampige Schau über Pius XII. kommt in die Münchner Karmeliterkirche an der Pacellistraße

Seit Rolf Hochhuths Drama „Der Stellvertreter“ ist das päpstliche Weiß befleckt. Pius XII., so die These des streitbaren Schriftstellers, habe sich am Massenmord an den Juden mitschuldig gemacht, weil er weder wie Marquis Posa protestierend vor Hitler getreten sei, noch anschließend ein Martyrium auf sich genommen habe.

Gelten für den Stellvertreter Jesus Christus höhere moralische Maßstäbe als für andere Staatsoberhäupter? Pius XII. wusste früh vom Holocaust, aber er half lieber im Stillen, um Schlimmeres zu verhindern. Über die Schattierung dieser widersprüchlichen Figur tobt unter Historikern ein heftiger Streit. Er wird erst abflauen, wenn 2014 die päpstlichen Akten über sein Pontifikat zugänglich werden.

In der von Benedikt XVI. angeregten Ausstellung des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften kommen solche Widersprüche nicht vor. Die zuvor im Vatikan und in Berlin gezeigte Schau treibt Propaganda für die Seligsprechung von Eugenio Pacelli, der zwischen 1917 und 1925 als päpstlicher Gesandter in Bayern wirkte.

Unvollständig, unwissenschaftlich und beschönigend

Schlecht gemacht ist sie leider auch. Der Besucher erfährt zwar, dass der Nuntius und spätere Kardinalstaatssekretär Konkordate mit dem Freistaat und dem Deutschen Reich aushandelte. Über ihre Folgen steht auf den Tafeln kein Wort. In Bayern zementierte der 1924 geschlossene Vertrag die erst vor 40 Jahren mit einem Volksentscheid abgeschaffte Apartheid der Konfessionen in den Grundschulen. Das Reichskonkordat kam Hitler 1933 bei der Ausschaltung des politischen Katholizismus und zur internationalen Aufwertung gerade recht.

In Berlin gipfelte die Ausstellung in einem Saal mit dem Schriftzug „Hier hören Sie das Schweigen des Papstes“. Hier war das angeblich alle Vorwürfe widerlegende Zitat aus der Weihnachtsansprache von 1942 zu lesen, in der Pius XII. das Schicksal „der vielen Hunderttausende“ beklagte, die „ohne den Hauch einer eigenen Schuld, sondern allein aufgrund ihrer Nationalität oder Herkunft zum Tod oder zu langsamer Verelendung verurteilt sind“. Die Münchner Inszenierung wird weniger dramatisch sein. Aber unerwähnt bleibt auch hier, dass die Botschafter der Alliierten auf eine schärfere Formulierung drangen. Seltsamerweise verschweigt die Ausstellung aber auch, was zur Entlastung des Papstes dienen könnte, der im Winter 1939/40 im Vorfeld eines geplanten Staatsstreichs gegen Hitler ziemlich riskant zwischen der deutschen Militäropposition und den Briten zu vermitteln versuchte. Aber das passt nicht ins Heiligenbildchen eines bald Seligen.

Im Zwielicht

Natürlich zitieren die Tafeln piusfreundliche Stimmen aus Israel. Dem Stellvertreter waren Juden nur aus religiösen Gründen suspekt. Als ein Münchner Rabbiner den Vatikan bat, bei der Beschaffung von Palmzweigen für das Laubhüttenfest zu helfen, nannte Pius XII. die Bitte „absurd“, weil es bedeuten würde, „den Juden bei der Ausübung ihres Kultus beizustehen“.

Nach ersten Deportationen unter der deutschen Besatzung ließ der Papst 1943 etwa 4500 Juden in römischen Kirchen und Klöstern verstecken. Dass nach Kriegsende auch ihre Mörder in Einrichtungen des Vatikans Unterschlupf fanden, ehe sie über die kirchliche „Rattenlinie“ nach Südamerika entkamen, bleibt in der Schau ebenso unerwähnt wie die päpstliche Sympathie für Spaniens Diktator Franco, den kroatischen Faschisten Pavelic und andere zwielichtige Antikommunisten.

Diskrete Unterwanderung

Im erzbischöflichen Archiv an der 1951 vom Stadtrat zu Ehren des Papstes umbenannten Pacellistraße hält sich die Begeisterung über die Ausstellung in ihren Räumen in Grenzen. Die Münchner Archivare stellen keine Exponate zur Verfügung und unterwandern lieber mit einer Vortragsreihe das fromme Geschichtsbild.

In der Ankündigung einer Rede des gestandenen Katholiken Hans Maier heißt es da: „Pius XII. war ein Diplomat, kein Charismatiker, kein Märtyrer, vielmehr ein vorsichtiger, auf Ausgleich bedachter Pontifex.“ Genau das ist aber das Problem: Für eine Seligsprechung würde das nur dann reichen, wenn Machiavelli die Kirche gegründet hätte.

Robert Braunmüller

Ehem. Karmeliterkirche, Karmeliterstraße 1, außer Karfreitag vom 18. 3. bis 3. 5. täglich von 10 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt

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