Nach dem Kultur-Kahlschlag: Neue Proteste gegen den Bayerischen Rundfunk

Sprüche wie "Wir brauchen Kultur, keine Kürzungen", "Reform-Gschaftlhuber, bremst euch ein" und "Wir sind Gebührenzahler:innen: Kultur braucht eine eigene Stimme", waren gestern auf den Transparenten einer Kundgebung rund um das Funkhaus des Bayerischen Rundfunks zu lesen".
Die Teilnehmer waren einem Aufruf zu einer Demonstration gefolgt, die vor der Sitzung des Rundfunkrats den Befürchtungen eine Stimme geben wollte, der Sender wolle seine Kulturberichterstattung im Zuge einer Programmreform einschränken. Das Thema war ein Tagesordnungspunkt der Sitzung, eine Entscheidung wurde nicht gefällt, weil das Gremium nur beratende Kompetenzen hat.

Trotz der Kürzungen: Der Bayerische Rundfunk spricht weiter von einer "Kulturoffensive"
Es ist geplant, Kultursendungen wie "kulturWelt", "Diwan" oder "Kulturjournal" in gemischten Magazinen aufgehen zu lassen. Damit soll Bayern 2 sollen für jüngere Menschen attraktiver werden. Allerdings legt das die Befürchtung nahe, kulturelle Inhalte könnten der Aktualität geopfert werden. Der Sender versucht diese Programmreform mit der Streichung von Literatursendungen seit Monaten als "Kulturoffensive" zu verkaufen.
BR-Kulturdirektor Björn Wilhelm widersprach wiederholt dem Verdacht einer Glättung des Programms in Richtung Mainstream "Das Erfolgsrezept von Bayern 2 sind die Kultur, die Kantigkeit, das Wissen und der Diskurs. Das abzuschaffen, wäre Quatsch", sagte er. Darum gehe es auch gar nicht, es gehe "darum, Kulturinhalte einem noch größeren Publikum als bisher zur Verfügung zu stellen, weg von Randzeiten am späten Abend oder am Wochenende".

Die Angst geht rum, dass die Kultur im BR zum Nischenprodukt verkümmert
Bereits im September wurde eine Petition überreicht, Kritik kam auch aus der Landespolitik. Kritik. Es sei zu zunächst zu begrüßen, dass sich der BR die dringend notwendige Verjüngungskur verpasse, sagte Alexander Hold (Freie Wähler), ein Mitglied des Rundfunkrats.
"Ausgerechnet bei der Kulturwelle Bayern 2 anzusetzen und dort die Kultur künftig überwiegend in allgemeinen Sendeformaten zu verstecken, ist ein denkbar ungünstiger Ansatz." Der kulturpolitische Sprecher der SPD im Landtag, Volkmar Halbleib, forderte, dass die Kultur im BR kein Nischenprodukt werden dürfe. Ähnlich äußerte sich auch die grüne Kultursprecherin Sanne Kurz.

Am Mittwoch meldete sich zu auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zu Wort. "Die geplante Reform im Kulturprogramm des Bayerischen Rundfunks werden wir daran messen, ob sie verstärkt ausführliche und vertiefende Kultursendungen bietet. Außerdem muss sie einen möglichst breiten Zugang zu Kulturbeiträgen während der Primetime, insbesondere im Morgenprogramm, gewährleisten. Ziel muss es sein, noch mehr Hörer, auch jüngere, zu erreichen", erklärt Krystyna Kuhn, bayerische Vertreterin im Bundesvorstand des Verbands Deutscher Schriftsteller*innen innerhalb von Verdi.
Schriftstellerverband Bayern fordert "Kultur für alle und zum Durchhören" beim BR
Nach der Auffassung von Verdi und im Einklang mit dem PEN-Zentrum dürfen Kultur-Magazine im Zuge der Hörfunkreform keinesfalls abgesetzt werden, weil sie vermeintlich zu geringe Reichweiten erzielen. "Stattdessen muss über noch bessere Werbemaßnahmen, hörerfreundlichere Sendezeiten und eine noch attraktivere Gestaltung der Sendungen nachgedacht werden", ist Arwed Vogel überzeugt. Er ist Landesvorsitzender des Schriftstellerverbandes Bayern.
Die Alternative heißt für Verdi eben nicht "Kultur-Häppchen" zu besten Sendezeiten statt "Kultur-Features" auf Quoten-Durststrecken – sondern: "Kultur für alle und zum Durchhören" und "Kultur für musisch Interessierte beziehungsweise Heavy User."
Am Dienstag wollen die BR-Intendantin und ihr Kulturchef das neue Programm vorstellen
Die geplante Reform dürfe aus Verdi-Perspektive außerdem nicht zu Lasten des Gesamtbudgets inklusive des Honorar-Etats sowie des Wortanteils gehen. Das habe auch politische Gründe: "Die AfD wird auch in Bayern immer stärker, die Gesellschaft rückt nach rechts. Kunst und Kultur können Brücken bauen und gesellschaftlichen Dialog über Konfliktthemen und Spaltungsprobleme vermitteln", meint Agnes Kottmann, Gewerkschaftssekretärin für Kunst und Kultur in Verdi Bayern.

Deshalb sei es nach den Ergebnissen der bayerischen Landtagswahlen erst recht geboten, die Kulturberichterstattung zu verstärken statt sie zu "verzwergen" und zu "verflachen", wie viele Kulturschaffende im Zusammenhang der Reformpläne befürchten, so Kottmann weiter.
Aus informierten Kreisen ist zu hören, dass die Proteste durchaus Wirkung zeigen: Die Kürzungen im Wortprogramm werden wohl nicht so drastisch ausfallen, wie befürchtet. Am Dienstag wollen die Intendantin Katja Wildermuth und ihr Kulturchef Björn Wilhelm das neue Konzept der Presse vorstellen. Danach wird man mehr wissen.