My Fair Lady-Regisseur: "Eliza muss nicht kicken"
MÜNCHEN - Das weltbekannte Musical "My Fair Lady" gastiert ab Mittwoch im Deutschen Theater. Die AZ sprach mit Regisseur Peter Lund vorab über die Inszenierung - und den Niedergang der Musical-Branche an sich.
AZ: Herr Lund, wann sind Sie der Lady zum ersten Mal begegnet?
PETER LUND: Mit neun Jahren. Ich zog die Platte aus dem Regal meiner Eltern. Mein erster Broadway-Sound – ich bin dem Stück bis heute verfallen. Es ist 100 Jahre alt und wärmt noch immer das Herz.
Ist My Fair Lady nicht bieder?
Ich würde es eher traditionell nennen. Sie ist mehr Operette als Musical. Der Inhalt wird nicht über die Musik transportiert – wie bei West Side Story –, sondern über das Schauspiel. Deshalb ist es auch fast unmöglich die Lady unter drei Stunden zu spielen. Beim Text kann man nicht kürzen und die Songs auch nicht, weil das Publikum sonst randaliert.
Sie haben drei Mal abgelehnt die Lady zu inszenieren. Warum wagen Sie es jetzt?
Ich brauchte Distanz und Selbstbewusstsein. Alle wollen eine Bebilderung des Films, die Vorbilder sind groß. Ich wollte es aber auf meine Art machen: Ein leises Stück ohne Halligalli. Das hat Mut gekostet und manchen war die Aufführung dann auch zu sensationslos, zu minimalistisch. Ich glaube aber, Leere regt die Fantasie an. Mit der Lady muss man nicht kicken.
Warum sollte man sich das Musical nochmal anschauen?
Weil es eines der klügsten ist. Bernard Shaw rüttelt elegant wach. Eine Frau will in einer männerdominierten Welt einen Laden aufmachen, sich aber nicht selbst verkaufen.
Ein antiquiertes Frauenbild...
Klar, das ist heute nicht mehr sensationell, aber doch ein Thema. In Deutschland gibt es genügend Frauen, die Männern Pantoffeln hinterhertragen. Wenn unsere Eliza Higgins am Ende die Pantoffeln bringt, ist das zwar ein Happy End. Aber jeder weiß, dass aus ihnen kein Paar werden kann.
Ist Musical seicht?
Nein, es bildet das Leben ab. In Deutschland wird es leider als seicht abgetan, seit die Nazis den Viervierteltakt instrumentalisiert haben. Musical ist ironische Spiegelung einer Hochkultur: der Oper.
Mit „Mamma Mia“ und „High School Musical“ erlebt das Genre gerade ein Revival bei den Jugendlichen. Verändert das Ihre Branche?
Sicher. Es ist die Aschenputtel-Geschichte, von der wir träumen, die wir nur noch im Musical finden. Kommerzielle Anbieter bedienen das schamlos, um ihre Bude voll zu kriegen. Die Qualität geht dabei flöten. Das trägt zum Niedergang des Genres bei, das seine satirische Fähigkeit einbüßt. Durch Erfolge müssen die Macher kreativer werden. Das fehlte in Deutschland bislang.
Eliza berlinert. Wann spricht die Lady bayerisch?
Das funktioniert für mich nicht. Bayerisch ist kein Unterschichten-Dialekt, es hat Würde. Berlinerisch ist einfach nur prollig.
Interview: Anne Kathrin Koophamel