Mut zur Gedächtnislücke

Wenige Rockstars haben mehr erlebt als Ozzy Osbourne. Mit der Reality-Show „The Osbournes” wurde der Sänger von Black Sabbath auch bei einem jüngeren Publikum populär. Jetzt kommt er für ein Konzert nach München
von  Christian Jooß

Drei Tabuthemen gibt es im Gespräch mit dem Prinzen der Dunkelheit: Tauben, Fledermäuse und den Alamo. Den einen hat er die Köpfe abgebissen, an das texanische Nationalheiligtum hat er Anfang der 80er gepinkelt und wurde verhaftet. Letzteres macht zwar jeder aufrechte Texaner aus der Gegenkultur, aber, Ozzy Osbourne hat recht, dazu ist über die Jahre alles gesagt worden. Als der Anruf kommt, reicht der Assistent einen weiter an Mr. Osbourne. Und der hat Verständigungsprobleme. Das Telefon hallt, findet er. Gut, man kann die Fragen auch langsam brüllen. Zum Henker, es ist Rock’n’Roll.

AZ: Mr. Osbourne, in „Diggin’ Me Down” aus Ihrem neuen Album „Scream” sprechen Sie mit Jesus. Haben Sie Sehnsucht nach Glauben?
OZZY OSBOURNE: Nein. Ich glaube nicht wirklich an organisierte Religion. Die sagen: Jesus Christus wird wieder kommen und auf Erden wandeln. Ich habe kein Problem damit, wenn du das glaubst. Dann bist du privilegiert. Aber wie kann das sein, dass da einer kommt und uns alle rettet? Jeden Tag forscht die Wissenschaft daran, wie alles begann. Ich habe keine Ahnung, was die Antwort ist. Ich weiß nicht, ob ich ungläubig bin, aber ich will einfach nicht jeden Sonntag in die Kirche getrieben werden.

Sie haben mal gesagt, Rock’n’Roll und Cabaret wären eng verbunden?
Wir unterhalten die Leute. Ist jeder glücklich? Yeah! Das ist dasselbe, nur haben wir elektrische Gitarren und Mikrophone gewählt. Die Leute sollen halt einen netten Abend haben. Ich glaube nicht, dass die Menschen im Rock’n’Roll den Teufel anbeten, was die immer behaupten. Wir sind einfach Unterhalter.

Als Black Sabbath die ersten Alben aufnahmen, hassten die Kritiker euch.
Wir hatten vom ersten Tag an nicht eine gute Besprechung. Du musst dich in diese Zeit versetzen. Da ging es um Pop, Flower Power, Hippies, Peace and Love. Und diese Black Sabbath brachten da einen völlig gegensätzlichen Dreh rein. Gerade weil das System uns nicht mochte, liebten uns die Fans. Wir haben ja auch nie Musik für die Kritiker gemacht, sondern für unsere Fans.

Henry Rollins haben Sie erzählt, dass Sie viele Geschichten aus Ihrem Leben vergessen haben.
Ich habe meine Autobiografie ja nicht selber geschrieben, sondern wurde interviewt. Als ich mit Chris Ayres am Ende dasaß, sagte der: Lass’ uns ein zweites Buch machen. Ich meinte: Du scherzt doch. Und er sagte: Nein, da ist soviel übrig, da könnten wir ein nächstes Buch machen. Wenn du ein Buch geschrieben hast, läufst du rum und fragst dich: Warum habe ich das nicht drin? Und jenes. Da kommen Dinge hoch, die du lange vergessen hast. Ich kann mich an Dinge erinnern, die 20, 30, 40 Jahre zurückliegen. Aber mein Kurzzeitgedächtnis ist heute sehr schlecht. Ich kann mich nicht daran erinnern, was vor ein paar Tagen passiert ist.

Gibt es Geschichten, die Sie Ihren Kindern nicht erzählen würden?
Nein... Na gut, sicher gibt es da welche. Ich hab’ schon ein paar verrückte Sachen gemacht. Jeder von uns hat doch Sachen, wo er denkt, darüber kann ich nicht reden. Das ist zu übel, zu peinlich.

Würden Sie rückblickend sagen, dass Ihre Frau Sharon Ihr Leben gerettet hat?
Sie hat mein Leben gerettet, so wie ich ihr Leben gerettet habe. Als sie mich traf, kam sie auch nicht besonders gut mit sich zurecht.

Steve Winwood, Robert Plant – viele große Rockkünstler kommen wie Sie aus der Gegend von Birmingham. Gab es Bands aus Birmingham, die Sie zur Rockmusik brachten?
Die waren nicht aus Birmingham, sondern das war die Liverpool-Revolution. Die Beatles. Und dann gab es den Starclub in Hamburg. Wir spielten mit Black Sabbath viele Gigs in Hamburg. Den gibt es ja nicht mehr.

Sie mussten in Birmingham viele Jobs annehmen, um sich über Wasser zu halten. Wie war das, als die große Kohle kam?
Die erste Rate, die kam, waren so 150 Pfund. Ich ging aus und hab’ mich betrunken.

Würden Sie noch einmal Kameras in Ihr Privatleben lassen, wie bei „The Osbournes”?
Nein. Wegen meiner Kinder. Ich hatte damit weniger Probleme. Meine Frau bekam Krebs, natürlich nicht von der Show, aber meine Kinder kamen auf Drogen. Die Show war für fünf Minuten ok, aber dann wurde es sehr schnell zäh.

Olympiahalle, 15. Juni, 20 Uhr. 10 x 2 Konzert-Freikarten, Di ab 8.30 Uhr, AZ-Schalter, Rundfunkplatz 4

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