Kritik

Zutaten für ein komplexes Gebräu

Die Latin-Musiklegende Hermeto Pascoal begeistert beim Augsburger Jazzsommer.
Ssirus W. Pakzad |
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Hermeto Pascoal.
Hermeto Pascoal. © SWP

Augsburg - Gib dem Mann ein Gummiband, einen verbeulten Teekessel, Besteck, Felgen. Egal, was es ist: Hermeto Pascoal holt aus jedem Gegenstand Töne heraus, nutzt alles, was sich anfassen, beklopfen, zupfen, bestreichen lässt und integriert es in seinen persönlichen Kosmos.

Der Koffer mit den Instrumenten ging verloren

Leider ist diesem Hexenmeister der brasilianischen Musik durch die derzeitigen Abfertigungswirren ein Koffer mit einmaligen Klangerzeugern, mit selbstgefertigten Percussions-Instrumenten abhanden gekommen. Und so spielte er bei seinem grandiosen "Augsburger Jazzsommer"-Konzert nur Keyboards, Bandoneon, Melodika und ein wenig Klavier.

Virtuose Tonfolgen aus dem Wasserglas

Einmal aber zeigte der 86-jährige dem Publikum im Botanischen Garten, dass noch im einfachsten Utensil Seele steckt und sich damit Musik macht lässt. Er sang virtuose Tonfolgen in ein Wasserglas hinein, brachte das Nass zum Sprudeln - und erfrischte sich anschließend mit einer kleinen Kopfdusche. Hermeto Pascoal ist eine lebende Legende, ein Pionier, ein Mann, der vor nichts zurückschreckt, der seiner Fantasie immer genug Auslauf lässt und seine Kompositionen als "universelle Musik" begreift.

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Ein geheimnisvolles Gebräu, ein komplexes Etwas

Das, was dieser Magier aus einer Vielzahl an Zutaten gewinnt, ist ein geheimnisvolles Gebräu, ein komplexes Etwas. Den Augsburgern widmete er eine im Hotelzimmer gefertigte Komposition - als sein Assistent die Partitur des Werks in die Höhe hält, ahnen alle Anwesenden, was im Kopf des Hermeto Pascoal wohl vorgehen mag. Die zwei Seiten waren so voll mit bunten Linien, mit seltsam anmutenden Codes und Zeichen, dass das Weiß des Papiers kaum noch zu sehen war.

Obskure musikalische Sprache

Hermeto hermetisch - doch Pascoal macht seine obskure musikalische Sprache, seine skurrilen Klang-Vorstellungen für alle zugänglich. Auch wenn es an diesem Abend strukturell noch so kompliziert wird, federn, pulsieren, grooven seine Rhythmen unentwegt, lockt uns der jung gebliebene Alte in seinen undurchdringlichen Dschungel.

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Familienunternehmen oder Band?

Dass seine Musik so flutscht, so beweglich ist, verdankt Hermeto Pascoal, der einmal seinen Hut zum Dirigieren verwendet, auch seinen vier Mitmusikern. Seine Band ist eine Art Familienunternehmen. Jeder Instrumentalist weiß genau, wie das Oberhaupt tickt, was es verlangt. Seine "Kinder" verstehen, wie die Gedankenwelt des Hermeto Pascoal funktioniert.

Der Augsburger Jazzsommer wird am 10. August mit Christian Stocks Infinity Quintett und am 11.9. mit "Rymden" fortgesetzt. Karten unter www.augsburger-jazzsommer.de.

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