Zubin Mehta dirigiert Arnold Schönbergs "Gurre-Lieder"
Es ist so, als hätte der junge Arnold Schönberg zu Beginn des neuen Jahrhunderts noch einmal alle Instrumente auf der Bühne versammelt – um sich von ihnen zu verabschieden. Nach der Vollendung der „Gurre-Lieder“ wandte er sich bewusst deutlich kleineren Besetzungen zu.
In diesem abendfüllenden Werk aber sparte der Komponist wahrlich nicht: Zusätzlich zu den Solisten und einem achtstimmigen Chor forderte er im Orchester unter anderem acht Flöten, zehn Hörner und sieben Posaunen.
Die Bühne der Bayerischen Staatsoper ist bis weit nach hinten hin eng besetzt, man fürchtet ein wenig um die Statik. Wie aber dirigiert man so einen zyklopischen Apparat?
Zubin Mehta verdient Bewunderung für seine unaufgeregte Leitung, die mit sparsamen, aber klaren Bewegungen auskommt und dennoch und genau so die Ausdrucksstärke dieses Werkes voll realisiert.
Es ist zum musikkritischen Topos geworden, zu loben, wie kammermusikalisch so ein unübersichtlicher Apparat gehalten werden könne. Doch das trifft hier nicht zu. Das Ereignis ist eher die ozeanische Masse, in welcher auch, besonders in den Holzbläsern, manche in der Partitur notierte Geste untergehen muss. Echte Transparenz hatte wohl auch der Komponist nicht im Sinn, dafür aber eine sanfte Überwältigung des Hörers.
Der erfahrene Dirigent Zubin Mehta, bald wird er 80 Jahre alt, weiß, dass es hier zuvörderst darauf ankommt, die Sänger in Schutz zu nehmen. Der erweiterte Chor der Staatsoper tritt eher klanglich als deklamierend in Erscheinung. Doch kann Stephen Gould als Waldemar nicht nur seine auch in der Ekstase noch schön gefärbte Höhe vorführen, sondern auch eine für eine Tenorpartie ganz unübliche Tiefe. Die haben beileibe nicht alle Heldentenöre! Anne Schwanewilms gibt eine Tove, deren etwas unruhiger Höhe man schon anmerken kann, dass sie dem Tode geweiht ist.
Einen Kontrast dazu bildet der üppige, dabei sehr textdeutliche Gesang der Waldtaube der so fabelhaft vielseitigen Okka von der Damerau. Goran Juri(´c) gibt einen natürlich-kräftigen Bauern, Gerhard Siegel einen geschmackvoll-komischen Klaus-Narr. In der Rolle des Sprechers krächzt und girrt sich Klaus Maria Brandauer durch das Melodram vor der Schluss-Apotheose. Er muss technisch verstärkt werden, das ist angehörs der instrumentalen Massen wohl unvermeidlich.
In der Bayerischen Staatsoper wurden die „Gurre-Lieder“ das letzte Mal 1991 unter Giuseppe Sinopoli gegeben. Soviel Zeit sollte nicht verstreichen, bis es zu einer Wiederbegegnung kommt – möglichst auf diesem höchsten Niveau.
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