Willy Astor: „Liebeskummer gehört dazu“
In den 90ern wurde er mit seinen wortschöpferischen Kabarett-Nummern bekannt. Mit seinen musikalischen Anekdoten und seiner Sprachjonglage macht Willy Astor während seinen Auftritten für viele das Leben ein bisschen heller. Doch hat er auch eine sehr nachdenkliche Seite, die man auf seinem neuen Album „Chance Songs“ kennenlernen kann.
AZ: Herr Astor, man kennt Sie gar nicht so als Liedermacher!
WILLY ASTOR: „Chance Songs“ ist tatsächlich das zweite Album, nach fast 15 Jahren Unterbrechung. Ich habe mir gedacht: Das Leben hat mich jetzt wieder so beeindruckt und gestreift. Da ist es jetzt Zeit eine ganz neue Betrachtung über das Leben und die Liebe abzuliefern. Es hat mich keiner gedrängt, mach doch mal eine Liederplatte. Ich bin einfach ein Liederniederschreiber. Das war ich immer schon.
Kein Komödiant?
Mein Hauptjob ist der des Komödianten. Aber ich bin in der Liedermacherzeit auch aufgewachsen, als Konstantin Wecker und Hannes Wader noch in den dritten Radioprogrammen gespielt wurden. Meine DNA sind auch die Beatles – ganz klar. Ich bin ein extrem harmoniebedürftiger Komponist. Die ganz starken Ecken und Kanten wirst Du bei mir nicht hören.
Dann sind die Beatles auch eine Inspiration?
Absolut. Manchmal auch nur bestimmte Akkordprogressionen, die aus der Beatles-Ära sind. Da bekenne ich mich auch dazu. Ich klaue allerdings sehr selten. Wenn ich klaue, dann mache bei Bach oder Mozart.
Im Song „Einfach sein“ beklagen Sie die Schnelllebigkeit unserer Zeit.
Dieser Song ist der Ursprung dieses ganzen Albums. Bei meinem Kabarett-Programm habe ich das am Schluss immer gespielt und die Leute waren dann so ergriffen davon.
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Sie fordern darin den Zuhörer auf: „Mach den Versuch, wieder einfach zu sein“. Wie meinen Sie das?
Ich glaube, dass wir alle nicht wirklich ein einfaches Leben führen in der hochtechnisierten Welt. Wir leben in einer Geschwindigkeit, die nicht die Natur des Menschen ist. Manchmal habe ich das Gefühl, als hätte uns jemand „eilig gesprochen“, um mal einen kleinen Wortwitz anzubringen. Es ist eine unglaubliche Sehnsucht entstanden, wieder zurückzukehren in die Einfachheit: In die Berge zu gehen, spazieren zu gehen, wieder mehr Bewusstsein zu schaffen für die einfachen Dinge, die uns Freude machen.
Schaffen Sie das selbst im Alltag?
Ich zwinge mich dazu. Ich merke einfach, dass es mir nicht gut geht, wenn ich immer im Eilschritt voranschreite. Irgendwann muss man Abstand nehmen und ein paar Sachen loslassen.
Obwohl es immer mehr verlangt wird, überall präsent zu sein.
Ich glaube, jeder muss seinen Weg finden, der einen auch gesund hält. Einen Weg zu finden, um zu schauen, wer man eigentlich ist. Passt mein Job und mein Partner zu mir? Das hat alles mit der seelischen und körperlichen Gesundheit zu tun.
Das Ende einer Beziehung ist auch ein Thema auf dem Album. Sind das Ihre eigenen Erfahrungen?
Das sind metaphorische Anspielungen auf Mann-Frau-Beziehungen. Mich hat der Liebeskummer schwer in die Erde gerammt. Ich glaube, es ist wichtig zu sagen, dass das auch zum Leben dazugehört. Sich nicht nur in Erfolgen zu suhlen und ein möglichst positives Leben zu führen, sondern sich auch mal was zu trauen. Liebeskummer ist etwas, mit dem jeder Mensch konfrontiert wird. Ich frage mich auch immer, warum man eigentlich an Liebeskummer nicht stirbt. Das ist doch so ein unglaublich starker Schmerz, der so nah am Herzen ist. Ich denke mir dann, ich bin so voller Schmerz, jetzt wird das Herz gleich aufhören zu schlagen.
Dann singen Sie aber auch über Deutschland, als „die Insel der Glückseligkeit“?
Ich habe von meiner Warte, von München aus, geschrieben. München ist eine Insel der Glückseligkeit und in Deutschland ist Bayern das Fettauge. Alleine von dem, was uns hier geboten wird: Wir haben die Berge, die Seen die Nähe zu Italien. Jeder will nach München ziehen. Das ist die Sehnsucht der ganzen Nordlichter. Auf der anderen Seite haben wir in München eine immer stärkere Kluft zwischen Arm und Reich. Man muss nur ein bisschen nach links und nach rechts schauen, um zu sehen, dass die Leute, die hier wichtige Jobs machen – wie Pfleger und Krankenschwestern – viel zu wenig verdienen, um hier leben zu können. Ich habe auch die Befürchtung, dass irgendwann die Reichen die Stadt einnehmen und aufteilen. Im Supermarkt gibt es meterlange Kühlregale. Und draußen holen 70 Jahre alte Rentner Plastikflaschen aus dem Müll. Das ist die Schizophrenie der Gesellschaft.
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Wundern Sie sich manchmal selbst, wie steil Ihre Karriere verlaufen ist?
Klar, ich bin auf die Sonnenseite des Lebens gefallen. Für mich war es schon eine Insel der Glückseligkeit als ich noch am Hasenbergl gewohnt habe, in dem Sozialwohnungsblock mit meinen Eltern. Weil ich finde, dass München einfach eine wunderschöne, unglaublich lebens- und liebenswerte Stadt ist. Ich kann seit dreißig Jahren als freischaffender Künstler mein Leben selbst bestimmen. Das ist manchmal auch gar nicht so einfach, man muss Kämpfe mit sich kämpfen, um wieder neue Stücke zu schreiben. Wir regen uns auf hohen Niveau auf. Zum Beispiel, wenn mir die Straßenbahn weggefahren ist, dann fluche ich. Aber das eigentliche Elend ist ja irgendwo ganz wo anders. Es würde das Miteinander viel einfacher machen, wenn die Leute, denen es schon gut geht, sich nicht darüber beschweren was eigentlich pillepalle ist. Wir sollten dankbar sein, wenn wir in der früh die Augen aufschlagen an eine weiße Betondecke starren können, weil das bedeutet wir sind wieder dabei, aber es ist alles selbstverständlich geworden.
Was machen sie dann, wenn sie selbst mal nicht gut drauf sind vor einer Show?
Wenn ich nach der Show die Leute grinsend aus dem Foyer wandern sehe, sie drei Stunden zum Lachen gebracht habe, dann bin ich wieder extrem dankbar.
Und wenn Sie sich zwischen Musik und Text entscheiden müssten?
Das kann ich nicht. Das sind wie zwei geborene Kinder. Meine Liebe zum Wort und meine Liebe zur Musik. Ich drehe jeden Buchstaben sechstausend mal um, bis ich ihn das erste Mal ausprobiere, schleife so lange an meinen Kompositionen. Das sind alles Geburtskanäle aus dem diese Nummern kommen. Ich liebe jede meiner Kunstformen. Es ist sehr schön, dass ich ein Publikum habe, das diese großen Scherensprünge auch mitmacht.
Willy Astor: „Chance Songs“. Die CD erscheint am 26. Januar.
Konzert am 5. Februar, 10.30 Uhr im Lustspielhaus, Occamstraße 8, ab 33 Euro, Telefon: 089/344974