Wieder Brahms mit Zubin Mehta

Eine Symphonie zu komponieren bedeute, mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufzubauen, hat Gustav Mahler einmal gesagt. Der Satz kommt einem in den Sinn, wenn Zubin Mehta die Musik eines Komponisten dirigiert, der normalerweise eher als Gegenpol zu Mahler verstanden wird: bei der Zweiten von Johannes Brahms.
Diese Symphonie beginnt mit einer lyrischen, fast beiläufigen Streichermelodie. Dann setzten die Posaunen einen düsteren Gegenpol. Mehta lässt beides geschehen, aber die Deutlichkeit, mit der die Münchner Philharmoniker unter seiner Leitung spielen, setzt einen vermittelten Kontrast. Und so vielfältig geht die Aufführung weiter: Es gibt Bläser-Lyrik, dramatische Verdichtungen des vollen Orchesters und am Ende einen naiven, strahlenden und schwungvollen Jubel wie in einer Dvořák-Symphonie. Und damit eine Vielfalt, wie sie bei Brahms-Aufführungen selten zu hören ist.
Wenn sich Wagner an Brahms annähert
Mehta war nie ein Dirigent pointierter Deutungen. Das war früher eine Schwäche. Heute, im hohen Alter, ist es eine Stärke. Weil alle Musikerinnen und Musiker den 87-Jährigen lieben, wird mit höchster Konzentration Musik gemacht. Und dabei geschieht Erstaunliches: Trotz einer riesigen Orchesterbesetzung decken sich die verschiedenen Streichergruppen nie zu, und zusammen gefährden sie auch an keiner Stelle die Balance zu den satt und weich klingenden Bläsern.
Mehta macht in der Coda des ersten Satzes auf eine melancholische Streicherstelle aufmerksam, die an den heiter-gelassenen Weltschmerz des Hans Sachs in den "Meistersingern" erinnert: Wagner und Brahms stehen sich für Momente ungeahnt nahe. Selbst unter den heitersten Streichergesängen brodelte es düster, nie stellte sich jene gemütliche Saturiertheit ein, die mittlere Brahms-Aufführungen so langweilig machen können. Und die Freude, mit der die Philharmoniker und Philharmonikerinnen für ihren hochgeschätzten Ehrendirigenten spielen, springt in einer Weise auf das Publikum über, wie es früher nicht immer der Fall war.
Wendig und mit Wärme
Dieser Ansatz passt zum runden, dunklen und weichen Traditionsklang der Münchner Philharmoniker. Gleiches gilt für das Klavierkonzert Nr. 2 vor der Pause. Yefim Bronfman spielte dieses schwierige, vollgriffige Konzert demonstrativ leichthändig. Er ist einer der wenigen Pianisten, die das technisch können. Auch hier begleiteten die Philharmoniker wendig und mit Wärme. Aber gehört nicht zu diesem Konzert ein Moment von innerem Konflikt und angestrengter Bewältigung? Ist das nicht eine Dimension, die hier dazugehört? Trotzdem ist der spielerische Ansatz, für den sich Bronfman entscheidet, in jeder Hinsicht in sich stimmig.
Starke Worte
Das Konzert war nicht nur ein Teil des Brahms-Zyklus der Philharmoniker, sondern auch eine Benefizveranstaltung für ein Krankenhaus in Münchens israelischer Partnerstadt Be'er Scheva. Dominik Krause erinnerte in einer kurzen Ansprache daran, dass der Hamas-Terror alle Juden weltweit verunsichern wolle. Münchens Zweiter Bürgermeister formulierte auch ein Unbehagen gegenüber den Reaktionen mancher seiner linken Freunde, die sich einseitig mit den Palästinensern solidarisierten und zu den jüdischen Opfern schwiegen. Klare, entschiedene und ernste Worte, wie man sie - so scheint es - zu selten hört.
Die Philharmoniker beschließen am Samstag um 19 Uhr und am Dienstag um 19.30 Uhr den Brahms-Zyklus mit dem Klavierkonzert Nr. 1 und der Symphonie Nr. 2. Das Programm vom Mittwoch und Donnerstag steht ab Samstag, den 27. Januar, um 10 Uhr kostenfrei für 48 Stunden als Stream auf www.mphil.de zur Verfügung.