Wie man die Konfetti wieder zusammenklebt

Wäre der Kongresssaal eine Interimslösung? Beide Orchester müssen zusammen für optimale Bedingungen im neuen Gasteig kämpfen
Robert Braunmüller |
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Heute vormittag berät das Bayerische Kabinett über die Grundsatzvereinbarung zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und dem Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter, gemeinsam den Gasteig renovieren zu wollen. Am Nachmittag wollen BR-Intendant Ulrich Wilhelm und der Dirigent Mariss Jansons ihrem Ärger Luft machen. Sie fordern nach wie vor den Neubau eines Konzertsaals im Finanzgarten.

Unterstützt werden sie seit Mittwoch von einer Online-Petition. Rund 17 000 Unterschriften kamen bis gestern zusammen. Am Grundproblem ändert das nichts: Der zuletzt als Standort für einen neuen Konzertsaal ins Spiel gebrachte Finanzgarten ist Landschaftsschutzgebiet. Rundfunkrechtliche und rundfunkpolitische Bedenken gegen den Bau, der in erster Linie dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nützen würde, sind nicht einmal im Ansatz ausgeräumt. Und was wäre beim Fällen des ersten Baums wohl passiert?

Der Ministerpräsident und der Oberbürgermeister haben sich vergangenen Montag im Rathaus unmissverständlich auf eine gemeinsame Sanierung des Gasteig und die gleichzeitige „Ertüchtigung“ des Herkulessaals festgelegt. Rückzieher sind da ohne größere Gesichtsverluste kaum mehr drin.

Zwischen Seehofer und BR-Intendant Wilhelm scheint in dieser Angelegenheit das Tischtuch nicht nur zerschnitten. Es fliegt als Konfetti durch die Luft. Das ist unterhaltsam, aber es schadet der Sache: Denn zahlen soll Wilhelms Konzertsaal bekanntlich der Staat. Und das heißt: Die Sache dürfte gelaufen sein. Die Musiker des BR-Symphonieorchesters sollten ihre Enttäuschung runterschlucken und nach vorn schauen. Und zwar gemeinsam mit ihren Rivalen von den städtischen Münchner Philharmonikern. Die würden nach dem von Staat und Stadt finanzierten Gasteig-Umbau immerhin auf ihr Erstbelegungsrecht bei der Saal-Buchung verzichten und damit eine alte Forderung ihrer Rivalen erfüllen. Und das wäre ein Kompromiss, mit dem beide leben könnten.

GEMEINSAM Die  Philharmoniker und das Symphonieorchester des BR haben bei aller Rivalität das gleiche Ziel: musikalische Weltklasse für München. Die beiden Orchester müssen mit einer Stimme sprechen und ihre Ansprüche an den neuen Gasteig gemeinsam formulieren, damit nicht die Politik über ihre Köpfe entscheidet.

HERKULESSAAL Es besteht die historische Chance, den Herkulessaal zu modernisieren – und zwar bitte über die von Horst Seehofer erwähnten Toiletten hinaus. Da die Philharmoniker zur Entlastung des Gasteig einen Teil ihrer Konzerte in die Residenz verlegen werden, müssen auch hier die Orchester gemeinsam mit der Schlösserverwaltung und dem Denkmalschutz ausloten, was möglich ist. Und zwar energisch!
GASTEIG Die neue Philharmonie darf nicht wie bisher einfach nur von einer Geschäftsführung vermietet werden. Sie braucht eine Intendanz mit künstlerischem Etat – wie das Wiener Konzerthaus oder das Pariser Châtelet. Für eine ähnlich belebende Vielfalt, die private Veranstalter nicht ausschließt, sollten sich die Orchester in eigenem Interesse einsetzen.

ZWISCHENLÖSUNG Vom Umbau des Gasteig sind beide Orchester ähnlich betroffen. Sie sollten gemeinsam nach einer Interimslösung suchen. Wie könnte die aussehen? Der CSU-Stadtrat Richard Quaas weist darauf hin, dass es in München kaum leerstehende Fabrikhallen gibt. Er hält eine befristete Nutzung des leerstehenden Kongresssaals auf der Museumsinsel für denkbar. Der Bau an der Ludwigsbrücke war vor der Eröffnung der Philharmonie Münchens großer Konzertsaal. Seinen gegenwärtigen Zustand erfreulich zu nennen, wäre übertrieben.

Hier ist aber viel Fingerspitzengefühl nötig, weil das Museum und seine Gremien in der Vergangenheit auf potentielle Instandbesetzer eher dünnhäutig reagiert haben. Im Kongressaal soll zukünftig ein Forum der Technik eingerichtet werden. Das wird aber wohl erst nach der Renovierung der Sammlungen und der Sanierung des Hauptgebäudes passieren.

Beim Kongresssaal steht ein Zeitfenster offen, das nicht leichtfertig zugeschlagen werden sollte. Denn die Verbindung aus Naturwissenschaft, Technik und Musik hat einen eigenen Charme, der dem eher konventionellen Bauprojekt im Finanzgarten abgeht. Wenn für drei, vier Jahre hier die Orchester in ein Provisorium einziehen, kommen vielleicht alle Beteiligten auf den interdisziplinären Geschmack.

Und es entsteht doch noch ein unkonventioneller dritter Saal neben Gasteig und Herkulessaal, in dem Zukunftsdialoge zwischen Wissenschaft und Kunst möglich sind, um die uns andere Städte beneiden. Das müsste auch Sponsoren interessieren.  

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