Wie David Bowie die Karriere von Mott The Hoople in Gang brachte
Wieso hat uns David Bowie einen todsicheren Hit geschenkt? Diese Frage stellt sich Ian Hunter bis heute. Bowie wartete 1972 ja selbst noch auf seinen Durchbruch, wollte aber erst mal die Karriere von Hunters Band Mott The Hoople retten. Die Band spielte in England seit den späten Sechzigern energiereiche, ausverkaufte Konzerte, aber ihre vier Alben waren deprimierend erfolglos geblieben, die fünf Musiker pleite.
Bowie schickte Telegramme und Blumenbouquets
Ein trostloses Konzert in einem ehemaligen Gasspeicher in der Schweiz hatte ihnen den Rest gegeben, und so hatten sie beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Nur zu einer finalen England-Tour ließen sie sich noch überreden - dann kam Bowie. Der Edel-Fan bot Mott The Hoople zuerst "Suffragette City" an - aber die Band befand den späteren Klassiker als nicht gut genug. Bowie war weder beleidigt, noch ließ er locker, er umgarnte die Band mit Telegrammen, schickte ihnen Blumenbouquets in die Garderobe - und spielte ihnen bei einem Treffen einen weiteren Song vor, mit Akustikgitarre und nervöser Stimme. Und die Musiker von Mott The Hoople wussten sofort, dass sie endlich den ersehnten Hit haben würden: "All The Young Dudes".
Das Lied war eigentlich für Bowies Album "The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars" vorgesehen. Nun überließ er es Mott The Hoople und produzierte auch noch die Single. Und nachdem diese, wie allseits erwartet, zum Tophit geworden war, produzierte Bowie auch noch das gleichnamige Album der Band.
Als sich der Pop alle paar Jahre häutete
Das ist nun in einem schönen, üppig ausgestatteten Boxset neu aufgelegt worden. Neben zwei LPs und zwei CDs enthält es ein 72-seitiges Hardcover-Buch mit teils interessanten, teils redundanten Geschichten zum Album, mit Replika von Fan-Memorabilia sowie der Promo-Single von "All The Young Dudes", diesem faszinierenden Stück Musikgeschichte.
Kein Song illustriert besser, dass Pop früher die Musiker der Teenager war, für diese gemacht wurde und sich deshalb alle paar Jahre aufs Neue häutete: So besingt einer der jugendlichen Protagonisten, einer dieser "Dudes" von 1972, seufzend seinen großen Bruder, der immer noch Beatles und Stones hört und dem ganzen Revolutions-Quatsch anhängt. Nun aber war ein neues Lebensgefühl und ein neuer Sound angesagt, auch ein offenerer Blick auf die Geschlechtsidentität: Die Protagonistin Lucy ist eine Drag-Queen. "All The Young Dudes" spiegelt Bowies lange Nächte in dem überwiegend queeren Londoner Club "The Sombrero" wieder, prompt wurde das Stück von US-Radiosendern boykottiert - und zur Hymne des neuen, bunt schillernden "Glam Rock", der in London aus der Taufe gehoben wurde.
Für das Album überredete Bowie die Band auch zu einer Coverversion von Lou Reeds "Sweet Jane"; später im Jahr sollte Bowie seinem New Yorker Freund mit der Produktion von "Walk On The Wild Side" und dem Album "Transformer" ebenfalls zum Durchbruch verhelfen.
Mit wenigen Kniffen brachte er Flair in den Rock
Die restlichen Songs schrieben die Musiker von Mott The Hoople selbst, darunter sind zwei starke: das rockige "Momma's Little Jewel" und insbesondere die Ballade "Sea Driver". Der Rest des Albums ist ordentliche Rockware, die durch Bowies Produktion ofmals interessant wird.
Mit wenigen Kniffen brachte er Flair in den geradlinigen Rock der Band. Bei "Ready To Love" von Gitarrist Mick Ralphs reichen dafür schon ein paar leicht nervöse Phrasen mit seinem Saxophon. "Sea Driver" klingt komplett wie ein Bowie-Stück der Zeit, da dessen rechte Hand Mick Ronson ein brillantes Streicherarrangement schrieb. "Sucker" hingegen verliert in Bowies poppigerem Studioarrangement ein wenig an Kraft gegenüber der deftigen Live-Version des Songs, der auf einer früheren Kompilation zu hören war.
Die neuen Helden der Glam-Ära
In diesem neuen Boxset gibt es keine Konzert-Mitschnitte, dafür aber Aufnahmen der Songs aus anderen Sessions, an denen Bowie nicht beteiligt war. Und kurios sind drei erstmals veröffentlichte Covers aus der Rock'n'Roll-Ära: "Shakin' All Over", Please Don't Touch" und "So Sad (To Watch Good Love Go Bad)". David Bowie und Ian Hunter waren bei einer Session genervt nach Hause gefahren, die anderen Musiker aber wollten die teure Studiozeit nicht verschwenden und holten kurzerhand ihren Road-Manager Stan Tippins ans Mikro.
Die neuen Helden der Glam-Ära spielten drei Nummern aus den Fünfzigern. Sie hätten sich sicher nicht träumen lassen, dass sich ein halbes Jahrhundert später jemand für diese Aufnahmen interessieren könnte. Und das wäre auch nicht der Fall gewesen, wenn David Bowie der Band nicht einen todsicheren, unvergessenen Hit geschenkt hätte.
Mott The Hoople: "All The Young Dudes" (Boxset, erschienen bei Madfish Music)
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