Wichtig ist, das Hirn einzuschalten
AZ: Herr Steinbäcker, „Irgendwann bleib I dann durt“ ist wieder auf dem Album. Ist es das letzte, weil Sie sich jetzt wirklich nach Griechenland absetzten?
GERT STEINBÄCKER: Keineswegs. Ich bin jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst drei Monate in Griechenland. Das hab ich nicht vor zu ändern. Die Brassband, die auf dem Album spielt ist aus dem Distrikt, in dem ich in Korfu wohne und hat drei Songs von mir im Programm. Ich hab mir gedacht: Wenn die das schon spielen, dann nehme ich ein Lied mit ihnen mit auf dem Album.
Wie kam es dann zum Entschluss, ein letztes Soloalbum zu machen?
Es ist nicht wirklich das Letzte. Ich hab nicht vor aufzuhören. Aber die Singer/Songwritergeschichten, die ich seit den 70er Jahren mache – in denen hab ich alles geschrieben. Sonst hätte ich auch die philharmonischen Geschichten nicht gemacht. Das ist ein Abschluss für mich.
‘Jo eh’ ist einer der österreichischen Sager überhaupt. Wie kam’s zu dem Titel?
Es gibt wohl nicht viele Sprachen, in denen man mit fünf Vokalen zwei kurze Sätze bilden kann: „Und du? Jo eh, I a“. Das hab ich nach zwei Bier bei meinem Stammwirt ausprobiert und hab gefragt: „Und du?“ – „Jo eh a.“ Das war witzig, dann bin ich heim und hab die Nummer geschrieben – eine untypische Entstehungsgeschichte. Es ist dann ins Alpinrockige geglitten und ich hab die alten Haudegen, den Wilfried Scheutz, der den Alpinrock erfunden hat, und den Hubert von Goisern, der das fortgesetzt hat, angehauen und die spielen jetzt auf dem Album mit.
Ihre Texte sind sehr politisch, Sie sprechen immer klare Worte. Das klingt doch nicht nach jemandem, der die Welt so gleichmütig ‘Ja-eh’t.
Der Song soll erzählen, dass es viele Dinge gäbe, die man so oder so betrachten könnte. Ich halte nichts davon Belehrungen auszuteilen. Ich fotografiere eine Situation und versuch’ einen Text draus zu machen. Und dann gibt’s einen großen Teil in der Bevölkerung, die sagen: Jo, eh.
Sehr gelassene Worte. In Österreich ist gerade eine bewegte und bewegende Zeit. Was empfinden Sie beim Blick auf das Land?
Nicht mehr und nicht weniger, als in der gesamten westlichen Welt. Es geht drunter und drüber in einer Art und Weise, die einen nurmehr staunen lässt. Vor zehn Jahren hätte man es nicht für möglich gehalten, dass Donald Trump amerikanischer Präsident wird und eine sehr starke Rechte immer mehr Gewicht bekommt, die zwar Dinge aufzeigt, von der ich aber noch nie irgendeine Art von Lösung gehört habe. Da fällt mir, ehrlich gesagt, nicht mehr besonders viel zu ein.
Es gab aber Lieder wie ‘Drago’ und ‘Das neue Vaterland’: Von Nationalismus und Fremdenhass singen Sie doch eigentlich schon seit mehreren Jahrzehnten.
Es ist aber noch nie so akut ausgebrochen. In den 90ern gab es die Geschichten, wie ein paar Zündelburschen, Flüchtlingsheime in Sachsen-Anhalt angesteckt haben. Das war damals ein Riesenthema, heute ist das eine relative Kleinigkeit, gegen die Stimmung an vielen Orten.
Macht Ihnen diese Entwicklung Angst?
Wenn’s nicht in den Griff zu bekommen ist, schon. Wie man das tut, weiß ich nicht. Aber wie löst man Probleme? Indem man genau nachdenkt und die richtigen Kräfte stark macht. Wichtig ist, das Hirn einzuschalten und nicht, mit Hetze Teile der Bevölkerung zu verunsichern und zu falschen Schlüssen zu bewegen. Es ist schlimm genug, dass es am Rande der Flüchtlingsströme offenbar auch Gauner gibt – wie bei jeder größeren Menschengruppe. Aber sich nur darauf zu setzen, ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.
Noch mal zurück nach Griechenland – die Probleme dort haben wir ja schon fast wieder vergessen. Wer ist denn Alexis, von dem Sie auf dem neuen Album singen?
Der Alexis ist ein Bekannter aus dem Dorf in Korfu. Die Griechen sind zwar aus den Schlagzeilen verschwunden, aber die Situation hat sich nur peripher gebessert. Die Staatsschulden sind enorm und die Möglichkeiten, die Dinge auf die Reihe zu kriegen, sehr schwierig. Mein näherer Bekanntenkreis ist nicht froher Hoffnung. Keiner traut sich eine Prognose zu. Auf dem Festland und in den Städten, sieht man viel Armut.
Sie arbeiten auf dem Album mit verschiedenen Gastmusikern und Orchestern zusammen. Wie kann man sich das bei der Tour vorstellen?
Man muss die Kirche im Dorf lassen. Ich bin nicht die STS. Ich kann weder ein philharmonisches Orchester noch die Brassband aus Korfu mitnehmen.
Sie haben auch einige Zeit in München gelebt. Wie haben Sie das in Erinnerung?
Das war in Haidhausen am Pariser Platz. Damals war es eine super Zeit, weil es ein totales Glasscherbenviertel war. Die Studenten haben gerade begonnen herzuziehen, weil’s ihnen in Schwabing zu teuer geworden ist. Da war irrsinnig viel los, da hat’s dauernd ein neues Lokal gegeben, es war die Hochzeit der Drehleier. Da hab ich später mit der EAV und der STS gespielt, ich hab den Sigi Zimmerschied und den Konstantin Wecker gesehen.
Auf dem neuen Album ist die STS wieder für ein Lied zusammengekommen. Wie ist diese alte Zusammenarbeit?
Das ist Tradition auf meinen Soloalben und immer lustig. Wir haben privat guten Kontakt. Seit dem Ende der Liveauftritte der STS sind einige Jahre vergangen. Zu speziellen Anlässen schließen wir es aber nicht aus, im Studio was zusammen zu machen.
Wenn Sie ein Album angehen – setzen Sie sich extra dann hin oder kommt das alles im Wirtshaus zustande?
Wenn du den Job machst, bist du immer scharf gestellt. Du nimmst irrsinnig viele kleine Situationen wahr, die du sonst nicht beachten würdest. Dann kommt die Situation, wo du denkst: Das ist ein Song. Nach fünfzig Jahren hat man das irgendwann intus, die Idee mit einer guten Melodie festzuhalten. Zum Ausarbeiten muss ich mich aber zurückziehen. Ich war für das neue Album acht Wochen lang auf einem Berg in Teneriffa. Die Aufnahme ist gemütlich, aber Texten ist Kasteien. Da stehst du um vier in der Früh auf zum Schreiben und um zehn schmeißt du alles wieder weg.
Bald beginnt das neue Jahr. Haben Sie Wünsche?
Früher hätte ich drüber gelacht, aber mit 64 wünscht man sich tatsächlich, dass man gesund bleibt, dass ich fit für die Konzerte bin. Mit 30 geht es darum, etwas zu verändern. Später nicht mehr, dann geht es darum die Dinge, die man gemacht hat, gut darzustellen.
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