Wer spielt Rachmaninow besser als Daniil Trifonov?

Daniil Trifonov und Valery Gergiev mit Rachmaninow, Wagner und Skrjabin im Gasteig
von  Robert Braunmüller

Irgendwas fehlt eigentlich immer, wenn Sergei Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 aufgeführt wird. Mal drückt das Orchester den Solisten an die Wand. Oder der Pianist haut auf die elegischen Passagen noch eine Portion Sentimentalität drauf. Und man hört die Musik vor lauter Noten nicht.

Am Dienstag gelang dieses schwierige Konzert denkwürdig und unvergesslich. Daniil Trifonov spielte es voller Drive und Emotion. Und absolut souverän vom leicht verhaltenen Anfang bis zu der letzten, effektvollen Schluss-Steigerung.
Und wie in jeder perfekten Aufführung eines viel gespielten Werks kam etwas zur Geltung, was einem sonst nicht auffällt: Der 24-Jährige aus Nischni Nowgorod machte durch eine kluge Disposition der Form klar, wie jeder der drei Sätze ein eigenes Konzert im Kleinen bildet: Das Allegro ma non tanto hat im zweiten großen Solo einen langsamen Satz eingebaut. Das Intermezzo gibt sich im Mittelteil als Scherzo und das Finale übersteigert alles bisher Dagewesene mit einem virtuosen Exzess.

Trifonov interpretiert Rachmaninows Musik, wie man sie hören möchte: glasklar und ohne jeden Mulm. Auch in schnellen Passagen vernahm man jede Note. Die Gewalttour des Finales gelang atemberaubend. Der dunkle Klang der Münchner Philharmoniker passte bestens zu Rachmaninow und ihre nicht leicht zu begeisternden Abonnenten tobten vor Begeisterung.

Ideale Verhältnisse also. Davor steigerte Gergiev mit seinem neuen Orchester das schwierige „Lohengrin“-Vorspiel hinreißend. Er ist einer der wenigen Dirigenten, den es gelingt, den großen Beckenschlag als natürlichen Höhepunkt zu entwickeln und nicht nur als Kraftakt zu erzwingen. Wenn Gergiev seine Musiker auch noch zu einem echten Pianissimo bewegen könnte, wäre im Gasteig der Siebte Wagner-Himmel offen.

Der Rest des Abends überzeugte vor allem dramaturgisch durch die Spiegelung der beiden Zeitgenossen Richard Strauss und Aleksander Skrjabin. Leider verließ Gergiev bei der Symphonischen Fantasie aus der „Frau ohne Schatten“ die Kunst des Übergangs. Die einzelnen Passagen wirkten mehr aneinander geklebt als nötig. Beim „Poème de l’Extase“ stimmte die stete Intensivierung. Aber das Stück besteht nicht nur aus Steigerungen, sondern auch aus flächigen Strukturen, die man klanglich mehr formen müsste.

Russische Musik ist laut. Aber eben nicht nur. Und sie hat Zwischentöne.

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