Kritik

Wenn man sich entspannt gibt

Tugan Sokhiev, Alexandre Kantorow und die Münchner Philharmoniker mit Rachmaninow und Rimsky-Korsakow in der Isarphilharmonie
von  Michael Bastian Weiß
Anton Biebl (rechts) verabschiedet den langjährigen Philharmoniker-Intendanten Paul Müller in den Ruhestand. Müller kam 2007 von den Bamberger Symphonikern nach München und begleitete den erstaunlichen Aufbruch des früher etwas konservativen Orchester in die Zukunft.
Anton Biebl (rechts) verabschiedet den langjährigen Philharmoniker-Intendanten Paul Müller in den Ruhestand. Müller kam 2007 von den Bamberger Symphonikern nach München und begleitete den erstaunlichen Aufbruch des früher etwas konservativen Orchester in die Zukunft. © Tobias Hase/mphil

Dieser Intendant kennt sein Orchester. Das beweist Paul Müller bei seinem Abschied, als er vor dem Konzert der Münchner Philharmoniker noch einmal vom Kulturreferenten geehrt wird. Der scheidende Manager dankt herzlichst - und formvollendet kurz. So müssen die bereits auf der Bühne der Isarphilharmonie versammelten Musikerinnen und Musiker nicht lange warten.

Bei den Philharmonikern kommt diese großzügige Geste hörbar gut an. Sie spielen in der Polonaise aus dem dritten Akt der Oper "Eugen Onegin" von Peter Tschaikowsky so schön sie können, breitbandig dekorativ in den Streichern, Holz und Blech raffiniert gegeneinander abgemischt. Ein weiteres Mal fällt auf, wie viel der Dirigent Tugan Sokhiev mit seiner vibrierend temperamentvollen und bildhaft suggestiven Zeichengebung erreicht.

Das Orchester anstacheln

In der symphonischen Suite "Scheherazade" von Nikolaj Rimsky-Korsakow führt er etwa die Kantilenen der Violinen mit vielfach verschnörkelten, dabei stets eleganten Bewegungen, sodass die üppig besetzte Gruppe wie spontan, reich ausgeziert, und dennoch mit einer einzigen Stimme singt.

Die Solistinnen und Solisten stachelt Sokhiev an und lässt ihnen dann, wie es ihnen gebührt, alle Freiheit. Angefangen vom ätherisch reinen Violinsolo der Konzertmeisterin Naoka Aoki gestalten, in der Reihenfolge ihres Auftretens, Harfe, Violoncello, Fagott, Oboe, Klarinette, Horn, und über allem die lustig pfeifende Piccoloflöte zauberhafte kleine Märchenerzählungen. Nonchalant setzen Tugan Sokhiev und die Philharmoniker auch die kaleidoskopartige Begleitung der "Rhapsodie über ein Thema von Paganini" von Sergej Rachmaninow zusammen, im Tutti federnd, vielleicht sogar stellenweise einen Tick zu geläufig und damit beiläufig. Auf jeden Fall fühlt sich Alexandre Kantorow, Sohn des bekannten französischen Geigers Jean-Jacques, dazu animiert, den Solopart seinerseits betont entspannt anzugehen.

Ein wenig ambitionslos

Der Pianist, doppelt ausgezeichnet beim Tschaikowsky-Wettbewerb, lässt die Scherzopassagen gerne zwischen seinen Fingern zerrinnen, demonstriert, wie leicht ihm alles fällt, und wirkt somit ein bisschen ambitionslos.

Nie stanzt er die perkussiven Momente gebieterisch heraus. Die Motorik tuckert gemütlich vor sich hin, das "Dies irae", das für den Komponisten stets existenzielle Bedeutung hat, verpufft unauffällig.

Kantorow geriert sich nicht als Solist, sondern als Spieler eines obligaten Begleitinstruments. Wenn man sich zu entspannt gibt, läuft man Gefahr, am Eigentlichen der Musik vorbeizuspielen.

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