Wenn Legenden fruchtbar streiten
Ein ungewöhnliches Duo: Claus Lehner, der Chef des Münchner Immobilienunternehmens Dawonia, konnte Al Di Meola gewinnen, bei einem Song seiner Band Silverpark mitzuwirken, dem Leonard-Cohen-Cover "Chelsea Hotel No. 2", und bei dem Video dazu.
Kennengelernt haben sich die beiden bei einem von Al Di Meolas "Home Events": Da lädt der legendäre Jazz-Gitarrist Fans gegen Honorar in sein Haus, bekocht sie mit seiner Frau Stephanie, gibt Gitarren-Unterricht und jammt mit ihnen.
Im Doppel-Interview geht es um das Projekt von Lehner und Di Meola - und um dessen neues Album: Nach 41 Jahren ist der Nachfolger von "Friday Night In San Francisco" erschienen, seinem Live-Album mit Paco de Lucia und John McLaughlin. Am Abend nach der legendären Freitagnacht wurde nämlich ein weiteres Konzert aufgezeichnet, und diese "Saturday Night in San Francisco" wurde jetzt veröffentlicht. Aber zunächst zu Silverpark.
AZ: Herr Lehner, wie konnten Sie Al Di Meola dafür gewinnen, mit Ihrer Band aufzunehmen?
CLAUS LEHNER: Im Dezember war ich bei einem Home Event in Als Haus in New Jersey. Wir hatten gerade mit Silverpark ein Album mit Songs aufgenommen, die nach Leonard Cohen klangen oder Covers von ihm waren. Ich habe die Aufnahmen mit nach New Jersey genommen. Al hat zwei Stunden in seinem Studio zu der Aufnahme gespielt und es war einfach perfekt.
Mussten Sie lang überlegen, den weltberühmten Gitarristen zu fragen, auf ihrer Aufnahme zu spielen?
CLAUS LEHNER: Ich habe im Leben gelernt, dass man einfach fragen muss. Wenn man nichts versucht, wird man seinen Traum nie erreichen.
"Wenn es um die Sex Pistols gegangen wäre, hätte ich ein Problem gehabt"
Mister Di Meola, was dachten Sie bei Claus Lehners Anfrage?
AL DI MEOLA: Claus fragte mich, ob wir zusätzlich zu den Home Events etwas im Studio machen können. Klar! Ich bin sehr offen. Ich bekomme nicht ständig die Gelegenheit etwas zu spielen, das so extrem anders ist als das, was ich sonst mache. Es war ein sehr gutes Projekt, und ich bewundere Leonard Cohen. Wenn es um die Sex Pistols gegangen wäre, hätte ich ein Problem gehabt.
Herr Lehner, Sie sind im Hauptberuf Chef des Immobilienunternehmens Dawonia. Wie bringen Sie das mit der Band unter einen Hut?
Während der Woche habe ich einen stressigen Job, da bin ich morgens vor acht Uhr im Büro. Musik mache ich am Wochenende. Es ist eine super Kombination. Ich lerne viel von den Musikern, mit Blick auf Kreativität und auf den Umgang mit Menschen. Im Geschäftsleben sind die Menschen zu hart.
Sind Sie durch die Musik ein softerer Boss geworden?
CLAUS LEHNER: Das war ich immer.
AL DI MEOLA: Es geht darum, wie man einen Kompromiss herstellt. Verschiedene Musiker haben verschiedene Meinungen. Manchmal muss man Kompromisse eingehen - oder man schafft es, die anderen so zu beeinflussen, dass man bekommt, was man will.
Ist es in der Musik also wie im Geschäftsleben?
In meiner eigenen Band bekomme ich alles, was ich will. Aber in einer Band mit bekannten Musikern muss man manchmal spielen, wie die anderen es wollen
"Erstaunliche Kombination aus inspirierenden Momenten, Frustration und Streit"
Wie war das mit Paco de Lucia und John McLaughlin?
Das war eine erstaunliche Kombination aus inspirierenden Momenten, Frustration und oft auch Streit. Aber wir haben immer versucht, einen Weg zu finden, dass es besser wird.
Wer hat mit wem gestritten - und worüber?
John McLaughlin war wie ein Sportler. Wir haben jeden Tag Karten gespielt. Paco und ich haben gern verloren, denn sonst wäre John ausgeflippt und hätte den Tisch umgestoßen. Er hasste es zu verlieren, auch bei der Musik. Wenn Paco ein großartiges Solo spielte, versuchte John, auch etwas Großartiges hinzubekommen. Wenn es beim ersten Solo nicht klappte, spielte er noch eins und noch eins, und wenn er es nicht hinbekam, konnte man ihm die Frustration ansehen. Aber genau das konnte in etwas Großartiges münden.
Aber die Songs wurden dadurch länger und länger.
Mein Gott! Deshalb war es eine schwierige Aufgabe, die Aufnahmen von "Saturday Night in San Francisco" zu schneiden. Wir spielten "Meeting Of The Spirits", eines von Johns berühmten Stücken mit dem Mahavishnu Orchestra, und das dauerte 24 Minuten. Ich musste es auf 14 Minuten kürzen, damit alles auf eine Vinylseite passt. Ich habe nur das Beste drin gelassen.
Die Konzerte fanden 1980 statt, "Friday Night in San Francisco" erschien im Jahr darauf. Wieso hat es 41 Jahre lang gedauert, bis Sie nun das Nachfolger-Album veröffentlichen?
Wollen Sie die Wahrheit hören?
"Johns Manager war ein arroganter, schwieriger Franzose"
Sehr gern.
Johns Manager war ein arroganter, schwieriger Franzose. Ihm ging es um Johns Erfolg, nicht um das Trio. Er wollte über ein weiteres Album gar nicht diskutieren, wollte die Aufnahmen gar nicht erst anhören.
Aber von "Friday Night in San Francisco" haben Sie 7 Millionen Exemplare verkauft. Hatten die anderen Parteien kein Interesse, mit einem weiteren Album Geld zu verdienen?
John und ich hatten damals kein gutes Verhältnis. Sie waren glücklich mit "Friday Night" und haben einfach vergessen, dass es auch eine Samstagnacht gab. 2020 habe ich John angerufen und ihm gesagt: Du wirst bald 80. Wieso lösen wir unser Problem nicht, worum auch immer es gegangen sein mag? Ich entschuldige mich, Du entschuldigst Dich und wir sprechen über das Projekt. Wir haben erstmals in 40 Jahren einen freundlichen Ton gefunden. Ich habe ihm ein paar Aufnahmen geschickt und er war hingerissen. Ich sagte ihm, wir haben noch mehr, zum Beispiel ein Stück von Paco, dessen Titel wir nicht kannten.
Was haben Sie da gemacht?
Das war nicht leicht. Wir haben Angehörige von ihm kontaktiert und seine Freunde aus der Flamenco-Welt. Schließlich fanden wir raus: Es heißt "El Pauello". Es ist eines meiner Lieblingsstücke von "Saturday Night in San Francisco".
Herr Lehner, wie haben Sie "Friday Night In San Francisco" von Anfang der Achtziger in Erinnerung?
CLAUS LEHNER: Mein Bruder und ich waren in Stuttgart die ersten, die "Friday Night in San Francisco" gekauft haben. Mein Bruder hat versucht, Al Di Meola nachzuspielen, ich habe es probiert und dann lieber angefangen zu singen. Als ich die Platte das erste Mal hörte, dachte ich: Wie kann man nur so Gitarre spielen?
"Bis heute höre ich jeden Tag die Beatles - jeden Tag"
Die Frage kann nur der Mann neben Ihnen beantworten.
AL DI MEOLA: Es war das Ende der Tour, unser Zusammenspiel war ziemlich großartig geworden. Wir drei konnten in recht hoher Geschwindigkeit spielen, wir waren die einzigen Typen, die auf diesem Niveau spielten. Wir hatten ja auch nicht diese verdammten Handys oder Computer, die uns vier bis sieben Stunden am Tag klauen. Wir haben jeden Tag geübt, um am Abend zu konkurrieren. Jeder wollte den anderen auf der Bühne vernichten - auf höchst wundervolle Weise. Wir haben zwischendrin mal überlegt, ob noch ein vierter Mann hinzukommen könnte. Wenn Santana die Fähigkeit gehabt hätte, so zu spielen, hätten wir nicht vor 3.000 bis 4.000 Leuten gespielt, sondern vor 10.000.
Aber er hatte diese Fähigkeit nicht.
Nein, natürlich nicht.
Auf den alten und dem neuen Live-Alben kommt der Stereo-Effekt sehr stark zu Geltung. Wieso haben Sie so gemischt?
Das war meine Idee. Wenn man im Publikum saß, sah man Paco auf der einen Seite, John in der Mitte, mich auf der anderen Seite. So sollte man es unbedingt auch zuhause hören. So hat übrigens der Produzent George Martin auch die Beatles gemischt. Zum Beispiel Ringo auf der einen Seite, Johns Stimme und ein Cello auf der anderen - brillant.
Die Shows der "Friday Night" und der "Saturday Night" waren am 5. und 6. Dezember 1980. Zwei Tage später, am 8. Dezember 1980, wurde John Lennon erschossen. Sind diese Momente in Ihrer Erinnerung verknüpft?
Ich war immer noch im Hotel in San Franciso. Am Sonntagabend hat der große Stevie Wonder dort gespielt. Ich sah das Konzert, ging hinter die Bühne und sprach mit ihm. Da drehte ein Filmteam, was ich gar nicht mitbekommen habe. Am Montagabend, den 8. Dezember, war ich im Hotel, der Fernseher lief und ich las das große Interview mit John Lennon im "Playboy". Plötzlich sah ich im Fernsehen mich und Stevie. Ich dachte, oh mein Gott, da sind Stevie und ich! Und dann stand unten im Bild die Zeile: "John Lennon in New York erschossen". Unfassbar. Es war so schlimm. Die Welt hat geweint. Aber ich habe auch Erinnerungen an John, wie er aufnahm.
Erzählen Sie.
Das war 1974. Ich war 19 und hatte mich "Return To Forever" angeschlossen. Wir waren im Studio und John im Studio daneben. Das war surreal, denn ich bin der größte Beatles-Fan auf dem Planeten. Ich ging ins andere Studio und sah ihm beim Aufnehmen zu. Aber ich war zu schüchtern, mit ihm zu sprechen. Aber dann spielte ich mit seinem 10-jährigen Sohn Julian Lennon Tischtennis, John kam vorbei und fragte: Wie geht's, Leute? Ich flunkerte, dass Julian mich fertig macht. Die Beatles sind ein Teil unser aller Leben. Bis heute höre ich jeden Tag die Beatles - jeden Tag.
Die Single "Chelsea Hotel No. 2" von Silverpark feat. Al Di Meola erschien gestern, das Silverpark-Album "Endless Sleep" am 23. September (bei Tap-Water Records).
Al Di Meola, John Mclaughlin, Paco De Lucia: "Saturday Night in San Francisco" ist als CD und LP bei Earmusic/Edel erschienen
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- The Beatles