Wenn das Leben verrückt spielt

Der junge österreichische Pianist Ingolf Wunder über die perfekte Chopin-Interpretation und seinen Wunsch, mehr jüngere Leute ins Konzert zu bringen.
von  Robert Braunmüller

Der junge österreichische Pianist Ingolf Wunder über die perfekte Chopin-Interpretation und seinen Wunsch, mehr jüngere Leute ins Konzert zu bringen.

Deutsche und österreichische Pianisten spielen Beethoven, Mozart und Schubert. Punkt. Ingolf Wunder, geboren 1985 in Klagenfurt, lächelt höflich, aber widerspricht nicht wirklich. Er selbst lässt sich nicht ohne weiteres in eine Schublade einordnen. Er mag Mozart, aber bekannt wurde er durch den ältesten und härtesten aller Klavierwettbewerbe: 2010 errang er einen zweiten Platz beim Chopin-Wettbewerb in Warschau. Und da sollte man den Namenspatron draufhaben, sonst läuft gar nichts.

Im Prinzregententheater spielt Wunder natürlich auch Chopin: die vier Balladen. Die Musik des polnischen Franzosen oder französischen Polen brachte ihm der Pianist Adam Harasiewicz nahe. „Vorher war Chopin nur schöne Musik für mich“, erzählt Wunder in der Bar des Hotels Palace, während seine Gattin auf dem Smartphone spielt. „Ich hatte das Gefühl, dass ich mehr herausholen kann. Dann habe ich auf den Wettbewerb hingearbeitet.“ Und ehe man denkt, das sei alles das Selbstverständlichste auf der Welt, fügt der junge Österreicher ehrlicherweise an: „Es ist schon verrückt, wie es kam!“

Eine gute Chopin-Interpretation zeichnet sich für Wunder durch Natürlichkeit aus. „Seine Musik wird oft romantisierend übertrieben. Dann finde ich sie nicht mehr schön.“ Wichtig sei das Spontane: „Man ist auf der Suche nach dem perfekten Tempo. Wenn man es gefunden hat, weiß man nicht mehr, warum es geklappt hat und wie es sich wiederholen lässt.“

Wunder liebt Chopin, will aber kein Spezialist werden. Mozart und Beethoven spielt er genauso. Und eine zweite große Liebe gehört der Filmmusik – einerseits, weil sein Bruder Filmkomponist ist, aber auch, weil er sie als Fortsetzung der Romantik versteht. Auf seiner neuen Platte „300“ sind daher auch Ennio Morricone und John Williams vertreten.

„Es ist ein sehr persönliches Album“, sagt Wunder. „Es sind die Stücke dabei, die mir im Alter von 10 Jahren das Tor zu einer neuen Welt geöffnet haben und mich dazu brachten, von der Geige zum Klavier zu wechseln.“ Der seltsame Titel „300“ bezieht sich auf den bald bevorstehenden 300. Auftritt des Pianisten und die drei Jahrhunderte Musik, die er auf der Platte eingespielt hat.

Mit Filmmusik wie dem Thema aus „Star Wars“ möchte er auch jüngere Leute dazu verführen, die Platte zu kaufen: „Ich selbst gehöre einer Generation an, bei der Klassik nicht mehr unbedingt dazu gehört. Mir fällt auf, dass in Deutschland und Österreich viel weniger junge Leute ins Konzert gehen als in Japan oder Polen. Ich habe auch keine Lösung für dieses Problem.“

Wunder stammt aus einem musikalischen Haus, aber eine professionelle Karriere haben seine Eltern nie forciert. Sein Klavierlehrer hat ihn dazu gebracht, immer von den Besten zu lernen. Deshalb gibt es auf der Platte und im Konzert auch eine Hommage an Wladimir Horowitz. Aber wer ist dieser Raoul Koczalski, der mit einem Walzer vertreten ist? „Er war einer der wichtigsten Chopin-Interpreten und hat auch komponiert. Seine Aufnahme der Berceuse hat mich dazu gebracht, mich mit diesem Stück zu beschäftigen. Deshalb folgen die beiden Werke auf der Platte auch aufeinander.“ Auch er ist also einer jener Besten, von denen sich der Österreicher inspirieren lässt.

Prinzregententheater, heute, 20 Uhr, Karten 28 bis 44 Euro, Abendkasse ab 19 Uhr. Ingolf Wunders CD „300“ bei der Deutschen Grammophon

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