Wenn Charismatiker aufeinandertreffen

"Stars & Rising Stars" in der Freiheizhalle: Klaus Maria Brandauer liest Wagner, Amadeus Wiesensee spielt Beethoven.
Michael Bastian Weiß |
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Maximale Präsenz: Klaus Maria Brandauer.
Maximale Präsenz: Klaus Maria Brandauer. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

München - Selbst, wer keinen Hang zum Dramatischen in sich spürt, kann sich ein Quäntchen Schauspielkunst von Klaus Maria Brandauer abschauen.

Allein, wie er nichts anderes tut als - zuzuhören! Sein musikalischer Partner Amadeus Wiesensee spielt den Kopfsatz der letzten Klaviersonate Nr. 32 c-moll von Ludwig van Beethoven mit edel schimmerndem Ton und unerbittlicher Stringenz.

Brandauer wendet sich ihm von seinem Lesetisch aus zu und lässt die Musik auf sich wirken, in unbewegter Haltung, ohne in irgendeiner Weise mimisch auf sie zu reagieren.

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Man kann den Blick von Brandauer kaum abwenden

Man kann den Blick kaum abwenden. Sobald der Burgschauspieler die Bühne betritt, ist er in seiner Rolle.

Eigentlich hätte der musikalisch-literarische Abend unter freiem Himmel in der Blutenburg stattfinden sollen, wurde aber wegen schlechter Wetteraussichten verlegt - während vor der Freiheizhalle wie zum Hohn dann die Sonne lacht.

Doch Brandauers hohe Kunst der Rezitation kommt im geschlossenen Raum verlustloser zur Geltung.

Brandauer erinnert selbst an Wagner

Er liest die Novelle "Eine Pilgerfahrt zu Beethoven", in der der junge Komponist des "Rienzi" 1840 mit satirischem Zungenschlag eine fiktive Reise zum hochverehrten Meister schildert.

Eigentlich aber erinnert Brandauer, Ende siebzig, die Episode als lebensweise gewordener Wagner selbst, aus der Rückschau, so, als ob er inmitten eines Kreises von Schülern und Bewunderern sitzen würde.

Immer wieder hält er gedankenverloren inne. Die Geschehnisse spielen sich noch einmal vor seinem inneren Auge ab.

Der Wanderer als Running Gag

Wenn Wagner mild ironisch von "Not und Sorge" des deutschen Musikers berichtet, schweift Brandauers Blick vielsagend auf seinen jungen Kollegen.

Als Running Gag wird der Wanderer immer wieder von einem englischen Mit-Pilger heimgesucht, und bei jedem Auftritt des Prominentenjägers reagiert der Reminiszierende anders, zunächst belustigt, dann missmutig, schließlich ehrlich empört über dessen Aufdringlichkeit.

Nach langen Irrwegen steht der Erzähler endlich vor Beethoven - in Brandauer erscheint der alte Komponist höchstselbst, mit brüchiger Stimme, erschütternder Schicksalsergebenheit, herzzerreißender Menschlichkeit.

Schwer, dem etwas entgegenzusetzen. Aber nicht für Amadeus Wiesensee. Auch er lässt Beethoven erscheinen.

Ein denkwürdiger Abend

Die "Arietta", das Finale der letzten Sonate, erwächst aus einem einzigen, riesigen Atem, so, als ob wir dabei wären, wie sich der Komponist selbst das Ganze in seinem Geiste vorstellt.

An diesem denkwürdigen Abend treffen zwei Charismatiker aufeinander, und beim Zusammenprall sehen wir Beethoven lächeln. Ironisch, melancholisch oder gar verklärt?

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