Was vom Leben bleibt: Peter Gabriel in München

Das dreistündige Konzert des Rock-Visionärs Peter Gabriel und seiner Band in der Olympiahalle
Andreas Radlmaier |
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Wunderbar und über jeden Zweifel erhaben: Das dreistündige Konzert des Rock-Visionärs Peter Gabriel und seiner Band in der Olympiahalle

Wie die Haare vergehen: Die drei kahlköpfigen Tanzbären, die sich auf der Bühne der Olympiahalle zum federnden Calypso-Beat des hypnotischen Songklassikers „In Your Eyes“ spöttisch um die eigene Karriere-Achse drehen, könnten glatt als späte Parodisten einer Bee-Gees-Choreographie durchgehen. Trockenen Brit-Humor darf man dem Sänger in der Mitte der Band dabei durchaus unterstellen.

Rock-Oper und Opa

Peter Gabriel, mit Genesis Vorreiter der Rock-Oper und mit seinen 64 Jahren nach landläufiger Meinung ein Rock-Opa, mag aber auch Perfektion und Illusion, Inszenierung und Menschlichkeit, Melancholie und Maßlosigkeit. Von all dem gibt es bei den dreistündigen Konzert-Nachschlägen zur allseits gefeierten „Back to Front“-Tour reichlich. Am Ende kontrollierte Begeisterung der 11 000 Zuschauer für einen begeisternden Gefühlskontrolleur. Mit reiner Nostalgie-Sättigung ist bei Peter Gabriel bis auf weiteres glücklicherweise nicht zu rechnen. Auch wenn der Visionär diesmal mit der kompletten Wiedervorlage seines Albums „So“ von 1986 (den Begriff Silber-Jubiläum sollte man also nicht zur wörtlich nehmen) seiner Gemeinde einen glänzenden Meilenstein in den Garten der kollektiven Erinnerung wirft. Eine Song-Kollektion, die in der umwerfenden Umsetzung seiner damaligen und heutigen All-Star-Band (David Rhodes, David Sancious, Tony Levin, Manu Katché) über alle Moden und jeden Zweifel erhaben ist.

Wucht und Eleganz

Wucht und Eleganz in brillanter Balance: So geht das mit „So“! Wenn sich bei „Red Rain“ – dem Eingangssong auf „So“ – blutrote Farbe von den Videowänden mit Gabriels umflorter Verzweiflungsstimme mischt, ist die Menge schon bei der videobunten Nachspeise angelangt. Denn der deutsch parlierende Gastgeber lädt zum Musik-Menü. Erst stellt er höflich seine Vorgruppen-Entdeckung vor, dann gibt's die akustische Vorspeise mit Blick auf neue Songzutaten der Hexenküche (etwa „O But“), weil „der Weg zu etwas manchmal interessanter ist als das Ergebnis selbst“. Zum Hauptgang erlischt das fahle Arbeitslicht im Saal, jetzt wird gefeiert: Mit markanter Schwarzweiß-Ästhetik, die auch die unbehaglichen Bild-Perspektiven von Google Earth einschließt, und Hits zwischen „Digging in the Dirt“ und „Solsbury Hill“, wo dann textmäßig so nebenbei auch mal Wasser zu Wein verwandelt wird.

Jahre vergehen, Konflikte bleiben

Im Vergleich zu den Großinszenierungen, die der Kanadier Robert Lepage Gabriel bescherte, bleibt dieser Auftritt geradezu minimalistisch. Auch wenn Scheinwerfer-Aliens weiterhin geisterhaft ihre Hälse in die Szenen mit leeren Straßen und einsamen Seelen recken dürfen. Jedoch bleibt die gereckte Faust an diesem Abend die nachdrücklichste Geste der Show. „Biko“, die Hymne über den südafrikanischen Apartheidskämpfer, hallt als Widerstands-Mahnung nach. Wie die Jahre vergehen und die Konflikte bleiben.

 

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