Wandern mit Clemens Schuldt
Dirigenten üben ihren Beruf ambulant aus – je nach Ruf auf einem, zwei, drei oder noch mehr Kontinenten. Auch im Münchener Kammerorchester herrscht ein Kommen und Gehen. Zum festen Stamm aus 26 Streichern gesellen sich bei den meisten Konzerten freie oder bei anderen Klangkörpern angestellte Bläser oder Schlagzeuger. Der eine oder andere wechselt das Engagement. Und im Tagesgeschäft pendeln die Musiker zwischen Proberaum und Konzertsaal hin und her.
Alles ist in Bewegung, und die ist gesund. Das Münchener Kammerorchester hat seine kommende Saison daher mit dem Motto „Wandern“ überschrieben. Und zwar programmatisch wie praktisch: Das Münchener Kammerorchester hat eine feste Abo-Reihe im Prinzregententheater. Aber es wandert auch hinaus ins Schwere Reiter, zum White Cube im Werkviertel hinter dem Ostbahnhof und nach Ravensburg. Eine Woche werden die Musiker sogar in Cartagena de Indias an der kolumbianischen Karibikküste auftreten.
Musikalisches Wandern wäre undenkbar ohne Franz Schubert: Der künstlerische Leiter Clemens Schuldt dirigiert die große Symphonie in C-Dur mit dem Wanderrhythmus „kurz – lang – kurz“. Aaron Pilsan spielt die von Franz Liszt in ein Klavierkonzert verwandelte Wanderfantasie. Fabio Nieder hat Lieder des klassischen Wiener Frühromantikers instrumentiert, die Michael Nagy singen wird.
Seßhaft im Gasteig?
Eröffnet wird die Saison am 19. Oktober mit den von Iannis Xenakis vertonten „Hiketiden“ des Aischylos. Die fünfzig Töchter des Danaos haben sich in diesem Drama auf eine (unfreiwillige) Wanderschaft von Ägypten nach Griechenland begeben. Der Komponist teilte ihr Schicksal in anderer Richtung: Als ehemaliger Kämpfer der kommunistischen Befreiungsfront lebte er lange im Pariser Exil, wo er im Büro von Le Corbusier als Architekt arbeitete. In weiteren Konzerten dirigiert Schuldt Musik von Robert Schumann und die Kammeroper „Into the Little Hill“ von George Benjamin. Der Dirigent John Storgårds setzt seinen Haydn-Ligeti-Zyklus fort und mit Ben Gernon stellt sich ein vielversprechender junger Dirigent vor.
Die Nachtmusiken in der Pinakothek der Moderne beschäftigen sich mit Per Nørgård, Henryk Mikolaj Górecki und Harrison Birtwistle. Ali N. Askin versucht Kindern Neue Musik mit Hilfe von „Peterchens Mondfahrt“ schmackhaft zu machen. Erzähler ist Udo Wachtveitl. Außerdem wirkt das Orchester in zwei Opernproduktionen der Bayerischen Staatsoper mit: im Doppelabend mit Ernst Kreneks „Der Diktator“ und Viktor Ullmanns „Der zerbrochene Krug“ und Haydns „Orlando paladino“ unter Ivor Bolton im Prinzregententheater.
Am 22. Oktober lädt das Münchener Kammerorchester zu einer Alpenwanderung am Schliersberg ein – mit Kammerkonzert in der Kirche St. Georg am Weinberg. Und irgendwann, in sechs, acht oder zehn Jahren hat das Wandern möglicherweise ein Ende: Dann werden die Musiker das Residenzorchester des (hoffentlich) zu einem ohne feste Bestuhlung frei konfigurierbaren Raum umgebauten Carl-Orff-Saals im Gasteig bilden.
Infos zu Abos unter Telefon 46 13 64 30 und www.m-k-o.eu