Vladimir Jurowski im Prinzregententheater: Trockener Witz
Wenn Musiker auf Wandlungsfähigkeit getestet werden sollen, ist Strawinsky die allererste Wahl. Im Unterschied zu 90 Prozent aller Repertoirewerke, die ein Opern- und Symphonieorchester zu spielen hat, ist hier emotionslose Kaltschnäuzigkeit und trockener Witz gefragt. Eine Interpretation mit Gefühl und der abgerundet schöne Klang der klassisch-romantischen Musik würde den hier geforderten Tonfall verbergen.
Der Hermann-Levi-Akademie des Bayerischen Staatsorchesters gelang es, musikalisch einstudiert von Oliver Tardy und dirigiert von Vladimir Jurowski, über den sehr langen Schatten der eigenen Tradition zu springen. Die Nachwuchsmannschaft des Orchesters der Bayerischen Staatsoper verleugnete zwar nie, dass die klangliche Rundung zu ihren Idealen zählt. Aber trotzdem wurde deutlich, dass Strawinsky vor 100 Jahren auch dann kompromisslos neue Musik schreiben wollte, wenn er sich hinter allerlei stilistischen Masken verbirgt.
Vladmir Jurowski: Kluge Erklärungen in den Umbaupausen
Die Musikerinnen und Musiker begannen ihr Festspielkonzert mit einer sensiblen und sinnlichen Kammerfassung von Claude Debussys "Nachmittag eines Faun" (Flöte: Edoardo Silvi). Darauf folgten Strawinsky "Acht Miniaturen" und das knackige Oktett von Strawinsky mit einer perfekten Balance zwischen Holz- und Blechbläsern.
Vladmir Jurowski überbrückte die Umbaupausen mit klugen Erklärungen der Stücke: kein Wort zu viel, aber auch keines zu wenig, immer kompetent und konzentriert auf das Wichtige. Nach der Pause folgte das Auftragswerk "Buch der Körper" von Vito Žuraj für Sopran und Ensemble. Der Komponist vertonte die zugrundeliegenden, sehr abstrakten Gedichte von Aleř Šteger, als seien es romantische Gefühlsergüsse. Die Emphase der Sopranistin Eliza Boom schwebte über eher geräuschhaften Instrumentalfarben, und im Unterschied zu vielen seiner Kollegen hatte der slowenische Komponist auch den Mut zu einem eher raschen Tempo, das in der Neuen Musik bei allen klanglich exponierten Werken irgendwie verpönt scheint.
Zum Abschluss noch die Kurzoper "Renard": schroff, brutal und zugleich witzig gesungen und halbszenisch gespielt von Joel Williams, Gabriel Rollinson und Sava Vemic. Die nicht allzu vielen Zuhörer fühlten sich geistreich unterhalten und zugleich gut informiert. Mehr kann man eigentlich von einem guten Konzert nicht verlangen.