Kritik

"Vivaldi immersiv": Klassik mit Disko-Feeling

Die "Vier Jahreszeiten" mit Computergrafiken in der Isarphilharmonie
Robert Braunmüller
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Die Geigerin Cecilia Ziano und das Münchener Kammerorchester bei einer Probe vor den Projektionen des Zürcher Künstlerkollektiv Projektil in der Isarphilharmonie.
Florian Ganslmeier 3 Die Geigerin Cecilia Ziano und das Münchener Kammerorchester bei einer Probe vor den Projektionen des Zürcher Künstlerkollektiv Projektil in der Isarphilharmonie.
"Vivaldi immersiv" in der Isarphilharmonie.
Florian Ganslmeier 3 "Vivaldi immersiv" in der Isarphilharmonie.
"Vivaldi immersiv" in der Isarphilharmonie.
Florian Ganslmeier 3 "Vivaldi immersiv" in der Isarphilharmonie.

Nach jedem Satz wurde geklatscht. Puristen mögen das gar nicht. Aber es ist ein gutes Zeichen. Denn es bedeutet: Es befinden sich nicht nur die üblichen Besucher im Saal, sondern auch Menschen, die normalerweise keine Klassik-Konzerte besuchen.

Und das ist ein Argument dafür, die "Vier Jahreszeiten" als "Vivaldi immersiv" mit Computergrafiken zu bebildern. Ob die schwarzen Wände der Isarphilharmonie dafür wirklich geeignet sind, darüber kann man streiten: Sie verhindern jedenfalls ein starkes Leuchten der eher diskret bleibenden Bilder.

Spiralen, Kugeln, Kristalle

Das Zürcher Künstlerkollektiv Projektil hatte sich für eine eher zurückhaltende Bebilderung der vor exakt 300 Jahren veröffentlichten Konzerte für Violine und Streichorchester entschieden. Es gab abstrakte Spiralen, Kugeln oder Kristalle zu sehen. Die in den die Musik begleitenden Sonetten erwähnten Vögel, Bauern, Jäger oder den Eisläufer des letzten Satzes bekam man nicht zu sehen, allenfalls die Ahnung eines fliegenden Vogels oder oder von Schneeflocken im Winter.

Hin und wieder wurde auch das Publikum beleuchtet: ein Hauch von Vivaldi-Disko. Sonst entschieden sich die Macher gegegen eine allzu aufdringliche Verdeutlichung der musikalischen Bildwirkung.

"Vivaldi immersiv" in der Isarphilharmonie.
"Vivaldi immersiv" in der Isarphilharmonie. © Florian Ganslmeier

Der Rhythmus der Grafiken orientierte sich am Tempo der Musik. Aber auch da waltete Maß. Nur einmal, bei der Gewittermusik, steigerten sich die Bilder zur Ahnung eines psychedelischen Rausches. Sonst blieb die Projektion vergleichsweise zurückhaltend, in einem höflichen Gleichgewicht zur musikalischen Seite des Münchener Kammerorchesters und seiner Solistin Cecilia Ziano.

Ein Mittelweg fern von jedem Mittelmaß

Die Geigerin hatte sich für einen historisch informierten Ansatz auf modernen Instrumenten entschieden: mit dosiertem Vibrato, einem natürlichen Klang und der maximalen Farbenpracht eines Streichorchesters. Allerdings vermied die stellvertretende Konzertmeisterin des Orchesters den geräuschhaften Extremismus, mit dem vor allem italienische Originalklangorchester dieser Musik die barocke Gefälligkeit ausgetrieben haben. Und das ist ein Mittelweg, der durchaus nicht langweilig ist.

"Vivaldi immersiv" in der Isarphilharmonie.
"Vivaldi immersiv" in der Isarphilharmonie. © Florian Ganslmeier

Einem ähnlichen Ansatz folgte auch Mozarts Symphonie in g-moll KV 550 vor der Pause ohne Bilder-Begleitung. Das Orchester spielte die Musik unter Leitung des Konzertmeisters Daniel Giglberger ziemlich forsch, dramatisch und auf schroffe dynamische Kontraste bedacht. Allerdings verpuffte die am Beginn einzelner Formteile ausbrechende Energie im weiteren Verlauf immer ein wenig.

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Auch hier gab es starken Applaus zwischen den Sätzen, was für die Aufführung spricht. Man muss jetzt nicht auf Teufel komm raus jede Symphonie von Haydn bis Schostakowitsch bebildern. Aber es ist ein Weg, klassische Musik zugänglicher zu machen.

Das ist hier mit Geschmack geschehen. Vielleicht sogar mit etwas zu viel Geschmack.

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