Vier Löcher im Kopf des Teufels
Wenn der Rock’n’Roll zuschlägt: Nick Cave und seine bösen Bad Seeds spielten im ausverkauften Zenith.
Das Bild friert im Kopf für ewige Sekunden ein. Das Mikrofon, hoch geworfen als Schlangenkopf über der Bühne. Das Kabel im perfekten Schwung des zum Biss ansetzenden Körpers. Während Beschwörer Nick Cave, mit fliegendem Sakko, schon in der Drehung auf sein Klavier zuschießt. Hinten in der Halle verreckt krachend eine Lautsprecherbox. Physische Bedrohung fährt ins Rückenmark. In „Jubilee Street“ schlägt der Rock’n’Roll das erste Mal an diesem Abend im Zenith zu.
„Red Right Hand“ – der Cavesche Live-Klassiker mit Glockenschlag. Keine Pose, echte Gefahr. Die fünf Bad Seeds sind Messdiener. Der Priester zuckt und spuckt mit grollender Stimme. Aus dem Jackettkragen des Feedback-Schamanen Warren Ellis ragt der Geigenbogen als Stachel. Ellis hat Funkverbindung zu anderen Mächten, ist erste Anspielstation für Cave. Ist Rattenfänger mit der Querflöte im ersten Song „We No Who U R“, der Eröffnungsnummer von Caves aktuellem Album. Ist Slidegitarre der Vernichtung in „Mermaids“. Geißelt mit Geige den „Weeping Song“.
Am 29. November erscheint „Live From KCRW“, Mitschnitt einer Radio-Session für einen Sender in L.A., auf dem auch „The Mercy Seat“ zu hören ist. Im Zenith fließt bei dieser Nummer Strom durch das Blut, bis es kocht. Die Bad Seeds haben die Fähigkeit, als Einheit ihre Dynamik bis in vernichtende Bereiche heraufzufahren. „Tupelo“ von 1985 ist einer der Songs, bei dem sie schwarze Löcher des Lärms in den Sound reißen.
„We Real Cool“ vom neuen Album gibt es als Zugabe. Nur einen Ton braucht der Bass, um Gott zu drohen. Dieser Song trägt Unheil in sich, das sich tief pochend nach Erlösung im Wutausbruch sehnt. Sie nicht zu gewähren, ist die fürchterliche Macht dieser Band.
Trügerische Ruhe gibt es nur, wenn Cave sich für das, was man nicht Balladen nennen möchte, ans Klavier setzt. „Into Your Arms“ fragt nach Gott und Liebe, aber schon „God Is In The House“ wird mit jeder Zurücknahme der Lautstärke noch giftiger. „Stagger Lee“ – da krallt sich der badest motherfucker in die Publikumshände der ersten Reihe. Kein Parental-Advisory-Sticker könnte diesen Text noch fassen. Kleine Erweiterung der Originalversion: Der Teufel tritt auf und will sich den Killer holen. Er holt sich seinen Lohn ab – „four holes in the motherfucker’s head“.
Am 28. Dezember sendet Bayern 2 um 15.05 Uhr einen Konzertmitschnitt