Verloren im Vakuum

„In a Time Lapse“ – die neue CD von Ludovico Einaudi, dem Komponisten von „Ziemlich beste Freunde“
Christa Sigg |
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„In a Time Lapse“ – die neue CD von Ludovico Einaudi, dem Komponisten von „Ziemlich beste Freunde“

Der Film war nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Seit Jahrzehnten werkelt Ludovico Einaudi ganz selbstverständlich in seiner Klangwelt, und es schien, als könnte ihn der ganze Hype, der jetzt um ihn gemacht wird, nicht kratzen. Aber klar, der Run auf „Ziemlich beste Freunde“ ließ selbst diesen hinter den Kulissen äußerst erfolgreichen Spross einer italienischen Intellektuellen- und Verleger-Dynastie nicht kalt. Jetzt ist Einaudi eben auch in Deutschland einem Massenpublikum bekannt. Und nicht nur Filmfreaks und Anhänger minimalistisch mäandernder Klangbündel und Fäden strömen in seine Konzerte.

Unübersehbar prangt die Anzeige für seine neue Platte „In a Time Lapse“ unterm Kulturaufmacher der „Zeit“. Und erstaunlich, man weiß bei dieser Musik nie so recht, wer auf sie abfahren könnte. Gestresste, die sich einfach mal ins akustische Kloster zurückziehen wollen? Genervte, die zurückschrecken vor der Effekthascherei des Pop? Jazzaffine, denen der aktuelle Experimentierdrang auf den Keks geht? Oder doch potenzielle Kammermusikhörer, für die Schubert und Bartók nicht eingängig genug sind? Vielleicht ist aber gerade diese Ungewissheit der Clou.

Einaudis Musik gibt vor, Geheimnis zu sein, indem sie schwebt, dauernd, weder abhebt, noch landet, sondern ihre Hörer vielmehr mit den ersten Takten in ein Vakuum zieht. Ob Einaudi, der Pianist, nun in einem Nebel von Melancholie kurze Tonfolgen wiederholt, erst tröpfelnd, dann immer intensiver und in immer neuen Variationen wie im Stück „Newton’s Cradle“. Oder ob Stargeiger Daniel Hope, den sich der 57-Jährige ins Boot geholt hat, endlose Töne in den „Orbit“ schickt. Wer mag, darf sinnieren. Über Raum und Zeit, Leben und Tod, die Unendlichkeit. Egal.

Einaudi ist offen. Und ihm geht es dabei um allergrößte Einfachheit, sagt er. Er will jeden erreichen, von jedem verstanden werden. Der Erfolg seiner Filmmusik mag ihm recht geben, da funktioniert dieses zwischen den Welten pendelnde Gemisch, da bringt es Bilder zum Leuchten, erzeugt Emotionen. Aber zu Hause, bloß so auf dem Sofa, wechseln wir doch lieber zu Eric Satie. Oder gleich zu Steve Reich. Auch wenn’s dann schon wieder viel komplizierter wird.

CD: „In a Time Lapse“, Ludovico Einaudi (Decca); Konzerte: 26. 2. und 14. 7., Philharmonie

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