Verdis "Ernani" mit dem Rundfunkorchester
Die Kanone sagt alles. Statt eine ohrenbetäubende Explosion zu imitieren, die die Wände des Prinzregententheaters erzittern ließe, klopft der Schlagzeuger zu Beginn des dritten Finales eher etwas ratlos auf die Große Trommel. Damit kein Missverständnis aufkommt: Er hat seinen Dienst erfüllt. Es wäre Aufgabe des Dirigenten Ivan Repusić, das Münchner Rundfunkorchester zu animieren, dessen Chef er seit 2017 ist. Der Kroate zeigt eine merkwürdige Unbetroffenheit, ja, Lustlosigkeit. Und das ausgerechnet bei einem blutvollen Drama wie "Ernani", der fünften Oper Giuseppe Verdis. Ist Repusić in Gedanken schon in Weimar, seiner neuen Wirkungsstätte?
Unnötig verwackelte Einsätze
Dass es ihm nicht so liegt, eine Arie oder ein Ensemble in einer erregenden Schluss-Stretta abheben zu lassen, hatte Repusić schon in seinem konzertanten "Attila", ebenfalls vom frühen Verdi, offenbart. Doch hier häufen sich die faden Details: Statt die Solonummern mit spritzigen Begleitfiguren einzuleiten, lässt Repusić die Streicher in zähflüssigem, mitunter tranigem Tenuto spielen.
Er gibt den Takt professionell deutlich vor, doch versäumt es, den exzellenten Musikerinnen und Musikern Impulse zu geben, sie gleichsam an der Hand zu nehmen; Resultat sind unnötig verwackelte Einsätze im Tutti und selbst innerhalb einzelner Gruppen. Und selbst der so klangmächtige Chor des Bayerischen Rundfunks (Einstudierung: Stellario Fagone) wird kaum präsenter als eine Hintergrundfarbe.
Die Sänger nehmen die Sache in die Hand
So macht sich statt eines elektrisierenden Agitato eine wenig Verdi-idiomatische Statik breit. Zum Glück nimmt das Solistenensemble das Heft selbst in die Hand. Selene Zanetti gelingt es als Elvira sogar, ihren Sopran mit belcantistischer Delikatesse zu führen, die feingliedrigen Koloraturen in einem distinkten Nonlegato aufzufädeln und das hohe C mühelos in die Linie einzubinden.
Ihr Abschied von Ernani birst vor Spannung, weil auch Charles Castronovo in der Titelrolle ein echtes Piano wagt. Das ist umso bemerkenswerter, als sich Castronovo auch vorher nicht geschont hat und dieser Aufführung rhythmische Energie zuschoss und ihr tenoralen Glanz verlieh.
Wettkampf der tiefen Stimmen
Ein Sängerduell der besonderen Art liefern sich George Petean als Don Carlo und Ildebrando D'Arcangelo als Silva, beide betont massiv auftretend: Petean mit einem Bariton, der selbst in der Höhe klingt wie ein Bass, D'Arcangelo mit einem wie gepanzerten Bassbariton, dessen Dauerforte sein - zumindest an diesem Abend - etwas bröckeliges Piano verbergen soll. Möglicherweise hätten gerade die tiefen Stimmen ein wenig mehr dirigentische Anleitung gebraucht.
Das Konzert kann man online bei rundfunkorchester.de und br-klassik.de nachhören
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