Ute Lemper über ihr Programm mit Gedichten von Pablo Neruda
Lady? Ja, die Charakterisierung gefällt Ute Lemper. „Auch ich verlange Respekt und Anerkennung und repräsentiere eine gewisse Würde, Stärke wie auch Stil – da finde ich Lady schon okay“, meint sie. Einverstanden also – doch vor allem ist die gebürtige Münsteranerin, die seit 15 Jahren in New York lebt, eine wandlungsfähige Sängerin, die am Samstag mit ihrem neuen Programm im Prinzregententheater auftritt.
AZ: Frau Lemper, für Ihr jüngstes Projekt haben Sie gemeinsam mit dem Bandoneonisten Marcelo Nisiman Liebesgedichte Pablo Nerudas vertont. Wie kam es dazu?
UTE LEMPER: Ich wollte zunächst mal ein Programm schaffen, das musikalisch auf dem französischen Chanson, dem argentinischen Lied und dem Tango basiert, verbunden mit wunderbaren Texten. Als ich mich durch die lateinamerikanische Literatur las, musste ich jedoch feststellen, dass sich diese Poesie im Grunde nicht vertonen lässt.
Warum nicht?
Es würde diese Texte banalisieren, denn die meisten sind politisch. Die Autoren haben in ihrer Poesie ihre Rebellionen formuliert, gegen die Systeme, in denen sie aufgewachsen und unterdrückt worden sind. Nach all den großen Schinken ist mir dann dieses Büchlein mit den kleinen, kompakten Liebesgedichten Pablo Nerudas in die Hände gefallen. Es lag in meiner Tasche wie meine kleine Bibel: Gedichte aus verschiedenen Epochen seines Lebens, mit einer Struktur, die sich einfach in Musik umsetzen ließ, weil sie bereits eine Musikalität in sich tragen.
Nun sind Nerudas Gedichte keineswegs romantische Liebesverse.
Ganz im Gegenteil: Sie tragen viel Schmerz in sich und die Unmöglichkeit, die Liebe zu halten. Es geht darum, die Kette der Liebe zu durchbrechen, Liebe zu verlieren und verlieren zu müssen, ihr Böses anzutun, um sich selbst wieder frei zu schaufeln. Das sind sehr dialektische Gedichte, doch genau das hat mich interessiert. Ich habe mich intuitiv für die Sensibilität und Sinnlichkeit dieser Gedichte entschieden. Das Programm ist eine Hommage an diesen Poeten, aber auch an das Chanson wie Europäer es kennen samt einer Öffnung nach Lateinamerika. Und natürlich steckt auch viel New York drin, weil ich dort seit 15 Jahren lebe.
Was macht den Reiz von New York für Sie aus?
New York hat mich frei gemacht von allen kleinbürgerlichen, provinziellen und nationalistischen Zügen, die in den europäischen Ländern existieren. In New York darf jeder anders sein, anders aussehen und sprechen wie er will.
Elke Krüsmann bezeichnet Sie in ihrem Buch „Endlich Lady! Älter werden muss nicht beige sein“ als Repräsentantin einer neuen, faszinierenden Frauengeneration.
Ich bin mir nicht sicher, ob man über eine ganze Generation sprechen kann, denn natürlich kommt es auf den Lebensstil an. Aber generell gilt, dass uns von der Emanzipation der Weg schon bereitet war: Wir konnten von Anfang mitreden in der Männerwelt.
Gleichberechtigung ist also heute Realität?
Natürlich ist es für die Frau immer härter, Beruf, Kinder und Familie unter einen Hut zu bringen. Aber in puncto politischer Offenheit und fairem Denken standen unserer Generation schon viele Türen offen.
Ihnen zweifellos noch mehr als vielen anderen.
Für mich gab es nie Tabus. Hinsichtlich meines vierten Kinds – da hätte jede Frau gesagt: „Bin ich denn wahnsinnig?“ Ich habe es einfach gemacht.
Wie schaffen Sie das mit vier Kindern?
Wenn die jetzt alle klein wären, würde ich es auch nicht schaffen, dann wäre ich im Sanatorium. Aber die zwei Großen sind in der Uni und auf der High School – die zwei Kleinen sind schon hart, aber ich bin sehr gut organisiert: Ich habe ein Au Pair für den Siebenjährigen und eine super Nanny für den Kleinsten. Mein Mann hilft mit, die großen Kinder auch – der Laden läuft einfach.
CD: „Forever – The Liebe Poems of Pablo Neruda“ (Chamaleon/Edel); Konzert im Prinzregententheater am Sa, 22.2., 20 Uhr, 38 bis 85 Euro
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