Kritik

Unterschwellige Gewaltsamkeit: "Die schöne Galathée" im Münchner Prinzregententheater

Das Münchner Rundfunkorchester unter Ivan Repusic mit Musik von Franz von Suppé.
Michael Bastian Weiß |
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Das Münchner Rundfunkorchester im Foyer des Prinzregententheaters. Dort geben die Musiker die meisten ihrer Konzerte.
Das Münchner Rundfunkorchester im Foyer des Prinzregententheaters. Dort geben die Musiker die meisten ihrer Konzerte. © Felix Broede

Dass der im dalmatinischen Split geborene Schöpfer der Wiener Operette für den Kroaten Ivan Repusic eine Herzensangelegenheit ist, zeigt sich daran, wie entschlossen er dem Stereotyp der "Leichten Muse" entgegendirigiert.

Suppés Musik kann in ihrer unerbittlichen Rhythmik geradezu gewaltsam sein 

Leicht ist nichts daran, wenn das Münchner Rundfunkorchester unter seinem Chefdirigenten die gerne ausgewalzte Einleitung zum Lustspiel "Dichter und Bauer" straff und angespannt vorantreibt.

In der Ouvertüre zur Operette "Leichte Kavallerie" ballen sich die Streicher im Csárdás zu einem so schneidigen Unisono, dass die Luft im Prinzregententheater zu vibrieren scheint, und der populäre Reitermarsch trabt nicht lustig daher, wie man ihn aus Film und Fernsehen kennt, sondern galoppiert martialisch blechbewehrt und mit brutalen Schlagzeug-Explosionen über das Publikum hinweg.

Die Handlung strotzt vor Zeitkritik

Suppés Musik kann in ihrer unerbittlichen Rhythmik geradezu gewaltsam sein, daran lässt Repusic keinen Zweifel. Wenn man nur nach den vier Ouvertüren ginge, die an diesem Abend zu hören sind, müsste man den Gattungsbegriff "Operette" in Frage stellen.

Tatsächlich hat Franz von Suppé (1819 - 1895) seinen Einakter "Die schöne Galathée" eine "komisch-mythologische Oper" genannt. Natürlich finden sich in dieser Satire, die hier konzertant aufgeführt wird, auch köstlich hingetupfte Nummern wie das Couplet des Ganymed, einer Hosenrolle, die Svetlina Stoyanova mit attraktivem Mezzosopran und erheiternder Miene singt. Doch die Handlung, die Ovids Pygmalion-Erzählung verballhornt, strotzt vor Zeitkritik.

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Noch bevor sich die Statue Galathée beginnt zu regen, wird sie schon lüstern begafft. Kaum zum Leben erwacht, werden ihr Hunger (auf Schnitzel) und ihre Begierde (nach einem schönen Jüngling) ignoriert. Als die Männer merken, dass Galathée eine Frau mit eigenem Willen ist, verwandelt man sie lieber schnell wieder in ein lebloses Objekt zurück.

Mandy Fredrich als Kunstfigur wird paradoxerweise zur menschlichsten Gestalt des Ensembles

Die Besetzung spiegelt diesen hellsichtigen Kommentar zur Geschlechterungleichheit im Bürgertum geschickt wider. Mandy Fredrich als Kunstfigur wird mit ihrem fraulichen Sopran und ihren naturhaft perlenden Koloraturen paradoxerweise zur menschlichsten Gestalt des Ensembles.

Die gleich zwei Tenöre heben sich prägnant voneinander ab: Jörg Schneider als Bildhauer Pygmalion ist mit seiner Mozart-Stimme mehr ein hyper-lyrischer Don Ottavio, kann also einer selbstbewussten Frau nicht auf Augenhöhe entgegentreten, während Gerhard Siegel als Mydas mit seinem kraftvollen, höhenstarken, aber in der Tiefe fast baritonal anmutenden Organ nicht verbirgt, dass diesem Kunstenthusiasten nur an ihrer Unterdrückung gelegen ist. Da ist sie wieder, jene unterschwellige Gewaltsamkeit von Franz von Suppés Musik.


Das Konzert kann man sich auf www.br-klassik.de anhören.

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