Unter der Oberfläche brodelt es

Mariss Jansons und Gil Shaham mit Berg und Bruckner in der Gasteig-Philharmonie
von  Robert Braunmüller

Das eine Stück ist dem „Andenken eines Engels“ gewidmet, das andere (angeblich) dem „lieben Gott“. Mariss Jansons mag solche Bezüge, aber – Gott sei Dank, möchte man ausrufen – dirigiert Alban Berg und Anton Bruckner nicht mystisch und gottergeben, sondern ausgesprochen weltzugewandt.

Bergs Violinkonzert [/INI_3]wird oft recht handfest und ungenau interpretiert. Jansons und Gil Shaham legten im Gasteig dagegen die lyrischen Qualitäten offen. In seltener Einmütigkeit und mit viel Feinsinn arbeiteten das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und der Solist am Zart-Filigranen. Die Zitate von Bach und aus der Kärntner Volksmusik stachen nicht heraus, sondern waren in den musikalischen Fluss integriert. Dass Shaham ein paar heikle Flagolett-Stellen vermenschlichte, störte nicht weiter: Es war – endlich! – eine Interpretation, nicht nur eine Bewältigung dieses Konzerts.

Früher verbarg Jansons Bruckners Herbheit unter einem chromglänzenden Orchesterlack. Mittlerweile schaut er unter die Oberfläche. Auch bei der Neunten arbeitete er das Zweifelnde, Suchende und Abgründige der Musik heraus. Schon der erste große Auftritt des Hauptthemas wirkte weniger feierlich als bedrohlich. Das Scherzo stampfte nicht nur im massigen Fortissimo, es gab auch fein ausgehörte, schattenhafte und groteske Passagen.

Im Adagio vermied Jansons mit Tempo- und Ausdrucks-Kontrasten jede falsche Feierlichkeit. Die Dissonanz am Ende der großen Steigerung wäre schärfer vorstellbar, aber dafür blieb der Satz auch nach der Generalpause angemessen unruhig. Eine Deutung fern aller Bruckner-Klischees. Da freut man sich auf die kommende Achte am 20. Februar!

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