Üben, üben und noch mehr üben!
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat ein Problem. Obwohl die Pflege Neuer Musik eine zentrale Motivation für die Gründung im Jahr 1949 war, sind längst nicht alle Musiker dafür offen genug. Noch in schlechter Erinnerung ist die Uraufführung 2003 von Salvatore Sciarrinos „Graffito sul mare“. Weil bei den Proben einige Musiker offen ihre Ignoranz auslebten, wäre es fast zu einem Eklat gekommen.
Natürlich hat sich viel geändert. Dennoch bleibt nach der jetzigen Uraufführung von Sciarrinos neuem Violinkonzert „Giorno velato presso il lago nero“ mit Carolin Widmann unter der Leitung von Jonathan Nott ein ziemlich schaler Nachgeschmack. Einmal mehr zeigte sich, dass die Streicher und Bläser multimiphone Klänge, die längst zum Vokabular der Neuen Musik gehören, nicht gut genug beherrschen. Wenn noch dazu Proben so geplant werden, dass für eine Uraufführung kaum noch Zeit bleibt, sind Defizite vorprogrammiert.
Tatsächlich wurde Helmut Lachenmanns Klavierkonzert „Ausklang" von 1985 mit dem großartigen Pierre-Laurent Aimard viel intensiver vorbereitet. Das Ergebnis: Sciarrinos neues Werk fiel im Konzert im Vergleich zur Generalprobe deutlich ab, was nicht an der Solistin lag. Mit Feingespür verlebendigte Carolin Widmann die Klangpoesie Sciarrinos – die zerbrechlichen Obertöne genauso wie die schwärenden Glissandi oder die geräuschhafte Stille.
Bei der Generalprobe atmete all dies weit und befreit. Indes wurden beim Konzert alle Kräfte für Lachenmanns Konzert aufgespart, der umso mehr fesselte. Bei der Uraufführung von Rebecca Saunders „of waters making moan“ für Akkordeon solo konnte nicht viel schief gehen: Effektvoll stürzte sich Teodoro Anzellotti in die Tasten, um clusterhafte Wallungen zu schärfen. So bleibt ein Fazit: Als das Münchener Kammerorchester letzten September Sciarrinos „L’ideale lucente“ uraufführte, wurde weitaus gewissenhafter gearbeitet.